Untersuchung des Weltbiodiversitätrates

Der Globale Zustandsbericht: Die Kernaussagen

Wie geht es den Ökosystemen unserer Erde? Wie müssen wir die Lebensräume künftig schützen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der Globale Zustandsbericht („Global Assessment“) des Weltbiodiversitätsrates (IPBES). Die Kernaussagen liest Du hier:

Die Geschwindigkeit, in der sich die Natur in den letzten 50 Jahren weltweit verändert hat, ist beispiellos. Pro Jahrzehnt verschlechtert sich der Zustand vieler Ökosysteme um mindestens vier Prozent. Schuld ist der Mensch.

Über ein Drittel der Landflächen auf der Erde und fast ein Viertel aller Süßwasservorräte werden verbraucht, um pflanzliche oder tierische Produkte herzustellen. Besonders die tropischen Ökosysteme schrumpfen: Landwirtschaftlich genutzte Flächen wuchsen in tropischen Regionen zwischen 1980 und 2000 um 100 Millionen Hektar.

Eine Entwicklung, die Folgen für das Klima hat: Die zunehmende Landnutzung und die wachsenden Verstädterung führten unter anderem dazu, dass sich seit 1980 die klimaschädlichen CO₂-Emissionen verdoppelt haben.

Der Mensch greift auch in die Ökosysteme der Meere und Küstenregionen ein. In den letzten 150 Jahren haben sich beispielsweise die Flächen, die mit lebenden Korallen besiedelt sind, fast halbiert. Nach der Fischerei beeinflusst die Nutzung von Meeren und Küstenregionen den Zustand der Ozeane am meisten – zum Beispiel durch Aquakultur oder die Verschmutzung der Flüsse.

Die Natur ist an sich erhaltenswert. Außerdem sorgt sie für saubere Luft, Trinkwasser, Nahrungsmittel und Lebensqualität. Und sie reguliert das Klima. Doch die Bedingungen, um das zu leisten, verschlechtern sich rund um den Globus.

Die Faktenlage: Die Produktion von Lebens- und Futtermitteln sowie Bioenergie nimmt zu. Mehr als zwei Milliarden Menschen benötigen beispielsweise heute Holz als Brennstoff. Damit stieg die Rohholzproduktion in den vergangenen 50 Jahren um 45 Prozent.

Doch mit dem Zuwachs materieller Ökosystemleistungen schwinden die regulierenden Ökosystemleistungen der Erde. So ging etwa der Gehalt an Kohlenstoff, der unter anderem Fruchtbarkeit von Böden sichert, im Boden zurück – während sich landwirtschaftliche Nutzflächen immer weiter ausdehnen.

Der Globale Zustandsbericht zeigt außerdem: Rund vier Milliarden Menschen brauchen Arzneien aus natürlichen Bestandteilen. Doch der Anteil der Arten, die als Arzneimittel bekannt sind, schwindet.

Mehr zur Entwicklung der Ökosystemleistungen findest du hier (S. 23).

Noch nie war das Ausmaß des Artensterbens so groß wie heute. Die Menschheit könnte diese Entwicklung weiter beschleunigen.

Seit dem Jahr 1500 hat der Mensch beispielsweise 680 Wirbeltierarten ausgerottet. Naturschutzmaßnahmen führten dazu, 26 Vogelarten und sechs Huftierarten – etwa dem Przewalski-Pferd – das Überleben zu sichern.

Auch die Gefährdung der Arten nimmt zu. Rund ein Viertel der Arten ist derzeit vom Aussterben bedroht, darunter zahlreiche Land-, Süßwasser- und Meereswirbeltiere, Wirbellose und Pflanzenarten. Besonders betroffen sind Amphibienarten – mehr als 40 Prozent sind gefährdet – und über ein Drittel der Meeressäuger.

Schätzungen gehen davon aus, dass von acht Millionen Tier- und Pflanzenarten – 75 Prozent sind Insekten – eine Million Arten vom Aussterben bedroht sind.

Grund Nummer eins: Der Mensch nimmt sich natürliche Lebensräume und verschlechtert die Lebensbedingungen für Flora und Fauna – um 30 Prozent, zeigt der Bericht. Das Fazit der Wissenschaftler*innen: Geht diese Entwicklung ungebremst weiter, werden rund neun Prozent der weltweit geschätzten 5,9 Millionen Arten auf der Erde in Zukunft nicht mehr genügend Raum haben, um zu überleben.

Diese Grafik verdeutlicht, wie viel Prozent einer Tier- oder Pflanzenart gefährdet oder vom Aussterben bedroht sind. Und sie zeigt, welche Gruppen bereits in der Natur ausgestorben sind. Die pinkfarbene Linie gibt die geschätzte Bedrohung in Prozent an. Berücksichtigt wurden Artengruppen, die die Weltnaturschutzunion IUCN untersucht hat. Zum Vergrößern klickt einfach auf das Viereck darunter.

In den letzten 50 Jahren hat sich die Weltbevölkerung verdoppelt. Der Wohlstand der Industrienationen wächst – zu Lasten von Ländern mit geringem Einkommen.

Seit 1970 hat sich die Weltwirtschaft fast vervierfacht und der Welthandel verzehnfacht. Eine Entwicklung, die Energieverbrauch und Konsum ankurbelte – und die Umweltbelastung vor allem in wirtschaftlich schwächeren Ländern steigen ließ.

Der Bericht belegt: Der Wohlstand eines Landes entscheidet darüber, wie sehr Konsum und Produktion die Umwelt vor Ort belasten. Diese Ungleichheit führt oft zu Konflikten. Ein Beispiel: Der Verbrauch von Lebensmitteln oder Holz ist in industrialisierten Ländern am höchsten. Trotzdem gelingt es diesen Staaten, den Wasserverbrauch und die Abholzung von Wäldern im eigenen Land einzudämmen. Denn die benötigten Ressourcen werden aus Ländern mit niedrigem Einkommen importiert.

Dort wird laut Bericht am meisten lebende Biomasse wie beispielsweise Nutzpflanzen erzeugt – und sind die Umweltbelastungen durch die Verwendung von Düngemitteln am höchsten. Doch nicht in Ländern mit niedrigem Einkommen nimmt der Schutz von Gebieten, die für die Artenvielfalt wichtig sind, zu – sondern in Industrieländern.

Die Zahlen zur Entwicklung seit 1970 findest du hier (S. 31).

Bis 2050 werden Artenvielfalt und der natürliche Klimaschutz der Erde weiter abnehmen. Verantwortlich sind die weltweit anwachsende Landnutzung und der Klimawandel.

Ob globale Nachhaltigkeit, schnelles Wirtschaftswachstum oder regionaler Wettbewerb – der weltweite Trend, der sich in allen drei Szenarien des Zustandsberichts der Erde abzeichnet: Die Produktion von Nahrungsmitteln und Bioenergie wächst rund um den Globus, vor allem in Südamerika, Afrika und Asien.

Je nach Szenario variieren auch die Folgen des Klimawandels: Ohne die Verringerung der menschengemachten Treibhausgasemissionen steigt die Durchschnittstemperatur bis 2050 um zwei Grad Celsius. Dann läge das klimabedingte Aussterbe-Risiko von Arten nach Schätzungen der Expert*innen bei fünf Prozent, bei einer Erwärmung um 4,3 Grad Celsius bei 16 Prozent.

Zudem prognostizieren die Wissenschaftler*innen, dass die Erderwärmung dazu führen wird, dass sich Ökosysteme rund um den Globus verändern. So werden sich die Lebensbedingungen für Tiere und Pflanzen etwa in wärmeren Regionen verschlechtern, die längeren Trockenzeiten ausgesetzt sein werden.

Auch die Meere sind vom Klimawandel betroffen. Steigt die Erderwärmung stark an, könnten sich die Fischbestände bis Ende des Jahrhunderts um bis 25 Prozent verringern. Die Vielfalt der Fischarten in den Tropen könnte dann abnehmen: Fische wandern in Richtung Antarktis oder Arktis, weil die Temperatur der Meere steigt.

Doch die Zukunftsszenarien zeigen auch: Einige Entwicklungen wie das Artensterben lassen sich aufhalten. Werden Ressourcen und Landflächen beispielsweise künftig nachhaltig genutzt, wird tierisches Eiweiß weltweit gerecht verteilt und die Nahrungsmittelverschwendung begrenzt, könnte sich die biologische Vielfalt auf der Erde sogar erholen.


Die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) erreichen wir nur durch schnelles Handeln und radikalen Wandel.

Von sauberem Wasser über intakte Ökosysteme bis zur Abschaffung von Hunger und Armut: Die Natur könnte uns sogar dabei helfen, die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Die Auswertung des Zustandsberichts der Erde illustriert jedoch: In keinem der Bereiche, die im Rahmen der SDGs definiert wurden, tragen Ökosystemleistungen derzeit tatsächlich dazu bei, die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Um die steigende Erderwärmung zu begrenzen, müssen laut Expert*innen schnelle Maßnahmen ergriffen werden, allen voran eine rasche Verringerung es CO₂-Ausstoßes. Dafür ist es laut Wissenschaftler*innen notwendig, dass die Politik bestehende Instrumente wie Anreizprogramme oder Zertifizierungsstandards nutzt und Vorschriften unverzüglich umsetzt. Zudem müssen umweltschädliche Maßnahmen wie etwa Kohlesubventionen abgeschafft werden.

Strategien wie die Eindämmung der Landnutzung, der Schutz von Meeren und Küsten oder neue Städtebaumodelle sollten die betroffenen Länder weltweit aufeinander abstimmen, Regionen übergreifend entwickeln und stetig anpassen.

Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung ist laut Bericht zudem ein weltweites Finanz- und Wirtschaftssystem, in dem Wirtschaftswachstum nicht das erste Ziel ist. Vielmehr muss es unter anderem darum gehen, Ungleichheiten zu überwinden, übermäßigen Konsum einzuschränken, Abfälle zu verringern und weltweit eine verstärkte Umweltkontrolle durchzusetzen.