Wasserstoff aus der Algenfabrik
Was wäre, wenn Autos künftig mit klimaneutralen Treibstoffen wie Wasserstoff fahren, die sogar mithilfe von Algen auf dem Hausdach erzeugt werden könnten? Oder wenn wir zu Hause Bakterien züchten, die dazu beitragen würden, unsere Wohnungen zu heizen? Noch ist selbsterzeugte Energie aus lebenden Mikroorganismen für den Eigenbedarf Zukunftsmusik.
Bisher haben viele Technologien wie die Wasserstoffproduktion aus Algen oder Bakterien die Testphase nicht überwunden. Schaffen sie den Sprung bis zur Marktreife, könnten die Mini-Kraftwerke künftig dabei helfen, fossile Treibstoffe zu ersetzen. Bestimmte Mikroalgen und Bakterien produzieren beispielsweise Wasserstoff im Rahmen ihres natürlichen Stoffwechsels (wie das abläuft, siehst Du hier).
Technisch ist heute bereits einiges möglich, etwa die Erzeugung von Biogas, -diesel und -ethanol sowie Wasserstoff aus Algen oder Bakterien.[1] Das große Plus der Mikroorganismen gegenüber Mais, Raps oder anderen Pflanzen: Sie wachsen nicht auf Äckern, die für die Nahrungsmittelproduktion genutzt werden könnten, sondern in geschlossenen Reaktoren – zum Beispiel in der Wüste, auf Dachflächen oder auch in Kellern mit künstlicher Beleuchtung.
Algen als klimaneutrale Wasserstofflieferanten
Vor allem Algen gelten als hoffnungsvolle Energieträger der Zukunft. Doch bis zu ihrem effizienten Einsatz müssen Forscher*innen und Entwickler*innen noch Antworten auf viele Fragen finden. So sind etwa derzeit noch riesige Wassertanks nötig, um genügend Algen für die praxistaugliche Wasserstoffproduktion zu erzeugen. Wissenschaftler*innen des Mülheimer Max-Planck-Instituts für chemische Energiekonversion und für Kohlenforschung sowie der AG Photobiotechnologie an der Ruhr-Universität Bochum gelang es, Mikroalgen so zu verändern, dass sie fünfmal mehr Wasserstoff produzieren. Auf diese Weise könnte der Algen-Wasserstoff künftig auf einer deutlich kleineren Fläche gewonnen werden – und seltene und teure Edelmetalle überflüssig werden, die bisher für die Wasserstofferzeugung aus Wasser benötigt werden.[2]
Das hocheffiziente Wasserstoff-Kraftwerk im Mini-Format
Der Ansatz der Forscher*innen: Mithilfe des gentechnisch veränderten Eiweißes Ferredoxin sorgen sie dafür, dass die sogenannten Hydrogenasen in den Algenzellen mehr Wasserstoff herstellen. Hydrogenasen sind die Enzyme in den Lebewesen, die den Wasserstoff produzieren (mehr zu Hydrogenasen und zu Enzymen).
Die Bochumer Wissenschaftler*innen treiben derzeit die Grundlagenforschung zu speziellen Hydrogenasen voran, die laut AG Photobiotechnology in Zukunft eine tragende Rolle in der grünen, wasserstoffbasierten Energiewirtschaft spielen könnten.[3] Die Studien sollen dabei helfen, Hydrogenasen so zu beeinflussen und sogar in vereinfachter Form nachzubauen, dass sie gezielt für die Wasserstofferzeugung genutzt werden können.[4]
Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sind nachhaltige Produktionsverfahren für die Gewinnung von Wasserstoff aus Mikroalgen in der Entwicklung. Wissenschaftler*innen des Instituts für Bio- und Lebensmitteltechnik schufen beispielsweise einen Photobioreaktor, der eine energieeffizientere Algenzucht ermöglicht. Das Besondere dieses Reaktors: Die Oberfläche der Plexiglasplatten, zwischen die Algenmasse und Nährlösung gefüllt werden, ist gezackt – und somit etwa viermal so groß wie die Fläche, auf der der Reaktor steht. Die vertikale Ausrichtung der Platten und ihre Zackenform ermöglichen einen Lichteinfall, der für das Algenwachstum optimal ist.[5]
Mehr über das Projekt liest Du hier.
Batterie mit Bakterien-Power
Bei der Erforschung von Bakterien als mögliche Energielieferanten gibt es verschiedenste Ansätze. Ein aktuelles Studierenden-Projekt läuft an der Technischen Universität Berlin: Bakterien sollen in einer biologischen Batterie Strom erzeugen und weiterleiten. Und das fast ganz ohne Energieverlust, so das Ziel des interdisziplinären Teams Smart B. O. B. (Smart Biologically Optimized Battery).
Dabei nutzen die Wissenschaftler*innen den natürlichen Fluss von Elektronen – also Strom – in Mikroben. Bei einigen Bakterien werden Elektronen an die Umgebung abgegeben. Auf diese Weise wird Energie freigesetzt. Diese Fähigkeit wollen die Forscher*innen mit den Eigenschaften anderer Bakterienarten gentechnisch kombinieren. So sollen bestimmte Eiweißkomplexe aus dem Bakterium Shewanella in Cyanobakterien eingebracht werden, um die Elektronen, die bei der Photosynthese entstehen, nach außen an eine Elektrode abzugeben, um dort den Strom nutzen zu können.[6]
Mehr über das Projekt erfährst Du hier.
Ein anderes Beispiel für die Energieerzeugung durch Bakterien ist das Projekt „MolkeKraft“ des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und des Zentrums für Angewandte Geowissenschaften der Universität Tübingen: Ziel ist es, Bio-Öl aus bakterieller Produktion herzustellen, das zu Treibstoff für Flugzeuge weiterverarbeitet werden kann. Allein in Deutschland fallen etwa vier Millionen Tonnen Sauermolke als Nebenprodukt der milchverarbeitenden Industrie an, die so gut wie nicht nutzbar sind. Ihre Entsorgung – die Klärung der damit verbundenen Abwässer – geht mit hohem Energieverbrauch einher.[7]
Blaupause für die Abfallverwertung der Zukunft
Das Prinzip von „MolkeKraft“: Bakterien wandeln den Zucker in der Sauermolke in Milchsäure um. In einer Raffinerie entstehen aus den organischen Säuren anschließend in einem elektrochemischen Prozess Kraftstoff und Chemikalien. Das Projekt soll laut Bundesministerium für Bildung und Forschung, Förderer von „MolkeKraft“, als Blaupause dienen – etwa für die Nutzung anderer Abfälle.[8]
Welche der neuen Technologien es künftig bis zur praktischen Anwendung schaffen, ist unklar. Damit es beispielsweise Wasserstoff aus Mikroorganismen bis zum marktreifen Kraftstoff schafft, müssen neben den Herstellungsverfahren auch Infrastruktur und Speichermöglichkeiten zur Verfügung stehen. Und die Nachfrage muss stimmen. Fest steht: Bis Mikroorganismen als Wasserstoff-Solarzellen weltweit ihren Dienst antreten, ist es noch ein weiter Weg.[9]
Quellen und Literaturangaben
[1] https://www.mpi-bremen.de/Binaries/Binary2705/Aus-Zukunft-d.-Energie-2008.pdf
[2] https://www.mpg.de/8415420/Algen_Wasserstoff
[3] Publikationen.docx (Anhang Mail Dr. Oliver Lampret, Ruhr-Universität Bochum, AG Photobiotechnology, vom 17.1.2020)
[4] https://news.rub.de/wissenschaft/2019-11-04-biologie-wie-sauerstoff-das-herzstueck-wichtiger-enzyme-zerstoert, https://news.rub.de/presseinformationen/wissenschaft/2019-07-24-biologie-wie-die-natur-wasserstoff-produzierende-enzyme-baut, https://news.rub.de/presseinformationen/wissenschaft/2018-11-09-biologie-welchen-weg-protonen-nehmen
[5] https://www.kit-technology.de/de/technologieangebote/details/549/
[6] https://www.pressestelle.tu-berlin.de/menue/tub_medien/publikationen/medieninformationen/2019/juli_2019/medieninformation_nr_1222019
[7] https://www.ufz.de/index.php?de=46376
[8] https://www.validierungsfoerderung.de/validierungsprojekte/molkekraft
[9] https://www.deutschlandfunk.de/bio-solarzellen-mit-cyanobakterien-von-sonnenlicht-zu.676.de.html?dram:article_id=437690