Sanierung Ruepingsbach

Foto: Stefan Kunzmann, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/...

Denkraum Natur

"Flussumbauten müssen einen Mehrwert bieten"

Flussrenaturierungen bringen die Natur zurück in die Städte. Eines von vielen Projekten ist der Emscher-Umbau: Einst galt das Gewässer als dreckigster Fluss Deutschlands. Heute bekommt die Emscher ihr natürliches Flussbett zurück. Ein Jahrhundertprojekt mit Vorbildcharakter, sagt Ilias Abawi von der Emschergenossenschaft.

Sanierung Ruepingsbach

Foto: Stefan Kunzmann, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/...

Herr Abawi, was macht den Emscher-Umbau so besonders?

Ilias Abawi: Das Besondere ist, dass der Flussumbau in einer Region stattfindet, die über ein Jahrhundert von der Stahlproduktion und vom Kohleabbau geprägt wurde und sich heute zum Dienstleistungsstandort wandelt. Wir wollen die Emscher vom Abwasser befreien und umgestalten – von einem System aus offenen Schmutzwasserläufen zu naturnahen, idyllischen Gewässern. Und das eben mitten in dieser dichtbesiedelten Landschaft. Das Emscher-Gebiet ist ja der drittgrößte Ballungsraum Europas nach Paris und London.

Das Projekt läuft seit fast 30 Jahren. Welche Herausforderungen gab es?

Abawi: Die größte Herausforderung ist die Region an sich: der dichtbesiedelte Ballungsraum. Die Emscher fließt über 80 Kilometer durch Ruhrgebietsstädte wie Dortmund, Bottrop oder Essen. Links und rechts vom Ufer ist wenig Platz. Teilweise waren unsere Baumaschinen nur zwei Meter von den Fenstern der Bewohner*innen entfernt. Das war eine große ingenieurtechnische Leistung: alles zu planen und dann auf engem Raum umzusetzen.

Baumaschinen vor dem Fenster: Haben Anwohner*innen protestiert?

Abawi: Es gab natürlich Beschwerden. Aber die Menschen in der Region tragen das Projekt mit. Von Anfang an haben wir offensiv über alles informiert, die Bewohner*innen durften im Rahmen der Planungen ihre Anregungen einbringen und die Baustellen besichtigen. Es gibt eine breite Akzeptanz, weil alle den Mehrwert erkennen, den das Projekt für sie hat.

Interviewpartner Ilias Abawi ist von der Emschergenossenschaft. Das Emscher-Gebiet ist der drittgrößte Ballungsraum Europas nach Paris und London. Dessen ökologischer Umbau besteht aus dem Aufbau eines zentralen Abwasserklärsystems im Ruhrgebiet, dem Bau von unterirdischen Abwasserkanälen und der Renaturierung der Emscher und ihrer Nebenflüsse. Er begann 1992 und soll Ende 2021 abgeschlossen sein.

Ilias Abawi Pressesprecher Emschergenossenschaft

Foto: Emschergenossenschaft

Der wäre?

Abawi: Für die Menschen bedeutet das Projekt Emscher-Umbau: Künftig müssen sie nicht mehr den Geruch der offenen Abwasserkanäle in Kauf nehmen, die teilweise an ihren Balkonen vorbeifließen. Weil wir das Abwasser unter die Erde verbannen und den Flusslauf naturnah umgestalten. So verbessert sich für die Menschen in der Emscher-Region die Lebens- und Aufenthaltsqualität. Darauf freuen sich die Leute.

Weniger Abwassergeruch – was spricht noch für Flussrenaturierungen?

Abawi: Den Abwasserkanal unter die Erde zu verlegen, ist der erste Schritt. Danach wird das saubere Gewässer von seinem Betonbett befreit. Der Flusslauf wird idyllisch gestaltet, damit sich die Menschen an seinem Ufer wohlfühlen. Da kommt auch der Standortfaktor ins Spiel: Es sollen sich ja auch Unternehmen in der Region niederlassen und neue Wohngebiete am Wasser entstehen. Abgesehen davon helfen die Umbauten natürlich dabei, die Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren zu erhalten.

Stichwort Hochwasserschutz: Helfen Flussumbauten auch hier?

Abawi: Auf jeden Fall. Eine renaturierte Gewässerlandschaft mit Auen, Kurven und langsamen Fließgeschwindigkeiten trägt ganz immens dazu bei, den Hochwasserschutz zu verbessern. Bei Starkregen werden die Wassermassen auf diese Weise zwischengespeichert und langsamer abtransportiert. So lassen sich Überschwemmungen vermeiden.

Das Emscher-Projekt gilt als Vorzeigeprojekt. Welchen Regionen auf der Welt könnte es als Vorbild dienen?

Abawi: Das sind vor allem Gebiete, in denen noch Kohleabbau betrieben wird, zum Beispiel in Südostasien. Aus Ländern wie Korea, Japan oder China hatten wir schon viele Delegationen zu Gast. Auch Südamerika käme in Frage. Es gab zum Beispiel einen Austausch mit Kollegen, die den Umbau des Rio Bogotá in Kolumbien verantworten und uns nach Erfahrungswerten beim Bau von Kanälen und Kläranlagen gefragt haben.

Wie könnten Flussumbauten in Zukunft aussehen?

Abawi: Ich kann mir vorstellen, dass vor dem Hintergrund aktueller Klimadebatten Flussumbauten von den Gesetzgebern so vorgegeben werden, dass sie deutlich mehr zum Hochwasserschutz beitragen, damit es weniger Überschwemmungen gibt. Das bedeutet: Es werden mehr Rückhaltebecken gebaut, Deiche werden rückverlegt, Flüsse verbreitert. Im Idealfall stimmt darüber hinaus noch die Wasserqualität, damit Tiere und Pflanzen wertvolle Lebensräume dazugewinnen. Flussumbauten müssen letztlich einen Mehrwert für Menschen und Natur bieten.

Mehr über das Projekt liest Du hier.