Die Noosphere imitiert biologische Prozesse - fast so komplex wie die Welt. Foto: Sang Lee, Ph.D.
Im Futurium Lab wird Architektur lebendig
Im Bann der Noosphäre
Es bebt, es klingt, es leuchtet: Wer sich dem wolkenartigen Gebilde nähert, erweckt es zum Leben. Die konisch geformten Spitzen senden Lichtsignale, der Klang fallender Tropfen ertönt, die weißen Wedel aus Mylar, einer Polyesterfolie, im Inneren zittern. Die Noosphäre, die derzeit im Futurium Lab entsteht, interagiert mit den Betrachter*innen.
Die Noosphere imitiert biologische Prozesse - fast so komplex wie die Welt. Foto: Sang Lee, Ph.D.
Ein Kunstobjekt auf den ersten Blick, aber dahinter steckt noch mehr: Was wäre, wenn Gebäude auf Bewohner*innen reagieren, die Umwelt komfortabler machen und sich sogar selbst reparieren könnten? Kann Architektur leben? Der Kanadier Philip Beesley denkt über die Grenzen der traditionellen Baupraxis hinaus. Der Schöpfer der Noosphäre ist Avantgarde-Architekt. In seiner Noosphäre kombiniert er viele Disziplinen: Architektur, synthetische Biologie, künstliche Intelligenz, Mechanik, Klang und Licht.
Kugel aus Stahl, Acryl und Resin
Was aussieht, als sei es spontan zusammengesetzt, folgt einem komplizierten Bauplan: Alles hat seinen Platz in der Kugel aus Stahl, Acryl und Resin, einem schnell aushärtenden Gießharz aus dem 3D-Drucker. „Diese Komplexität ist einzigartig und eine der vielschichtigsten, die Beesley bislang geschaffen hat“, sagt Stefanie Holzheu, Referentin im Futurium Lab. 13 Tage lang haben 15 Helfer*innen im Untergeschoss des Futuriums gewerkelt und hunderttausende Einzelteile verbaut.
Die Spitzen aus Acryl sind mit Stahlelementen verbunden und geben Stabilität. Mikroprozessoren und Sensoren beobachten die Umgebung und sammeln Informationen. Lichter und Töne sind Reaktionen auf äußere Reize. Eine Kombination aus Öl, anorganischen Chemikalien und wässrigen Lösungen in Glasbehältern erzeugt eine Art Haut, die als ein selbsterneuerbares Material bald in Gebäuden eingesetzt werden könnte.
Hat die Noosphäre Angst?
Die Summe der Eigenschaften verleiht dem Objekt eine besondere Aura und erzeugt Stimmungen. Eine Umgebung, die empfindungsfähig ist: Hat die Noosphäre Angst? Empfindet sie Freude? Ist sie nervös? „Die Besucher*innen sind eingeladen, dem Objekt bewusst Emotionen und Eigenschaften zuschreiben“, sagt Stefanie Holzheu. Und die können bei jedem Besuch anders sein, denn die Noosphäre lernt und modifiziert ihr Verhalten immer wieder neu.
Doch bei aller Komplexität – die Noosphäre fasziniert auch durch ihre geheimnisvolle Ästhetik. Einladend und fremd zugleich, wie ein Objekt aus einer anderen Welt.