Prof. Dr. Oliver Bendel

Prof. Dr. Oliver Bendel ist Professor für Wirtschaftsinformatik, Wirtschaftsethik, Informationsethik und Maschinenethik.
Foto: Kai R. Joachim

Denkraum Technik

Hilfe für Pflegekräfte: Roboter im Pflegealltag

Prof. Dr. Oliver Bendel lehrt und forscht an der Hochschule für Wirtschaft der Fachhochschule Nordwestschweiz. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Informations- und Maschinenethik. Im Bereich der Informationsethik diskutiert er unter anderem die Chancen und Risiken des Einsatzes von Informations- und Kommunikationstechnologien, KI-Systemen und Robotern. In der Maschinenethik untersucht er maschinelle Moral und setzt sich mit der Zusammenarbeit mit der Robotik und der Künstlichen Intelligenz (KI) auseinander.

Prof. Dr. Oliver Bendel

Prof. Dr. Oliver Bendel ist Professor für Wirtschaftsinformatik, Wirtschaftsethik, Informationsethik und Maschinenethik.
Foto: Kai R. Joachim

Herr Bendel, wie bewerten Sie den aktuellen Stand von Robotern in Pflegebereichen?

Oliver Bendel: Pflegeroboter liegen in erster Linie als Prototypen vor. Von ein paar Modellen gibt es Kleinserien. Manche Pflegeroboter können etwas (weg-)bringen, andere können Patienten informieren und unterhalten. Ein Prototyp namens Robear, der im Moment nicht weiterentwickelt wird, kann Menschen aufrichten und umbetten, aber nur mit Unterstützung der Pflegerin oder des Pflegers. Insgesamt funktioniert der Einsatz dort besonders gut, wo standardisierte Prozesse vorhanden und einfache Aktionen gefragt sind, etwa bei der Erinnerung an Termine oder der Zustellung von Medikamenten. Bei komplexen Tätigkeiten ist man noch nicht weit, schon aus technischen Gründen.

Roboter wären offenbar eine gute Ergänzung für den Arbeitsalltag und eine Unterstützung für das Pflegepersonal. Welchen Vorteil bringen sie für den Patienten?

Bendel: Pflegeroboter können in vielen Fällen die persönliche Autonomie verbessern. Der Patient ist nicht mehr ausschließlich auf den Menschen, zum Beispiel die Pflegekraft oder einen Angehörigen, angewiesen.

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Operationsroboter werden von Ärzt*innen gesteuert oder interagieren autonom.

Foto: Fotolia / zapp2photo

Wie können Menschen mit Robotern zusammenarbeiten?

Bendel: Viele Pflegeroboter sind als Assistenzsysteme angelegt, die im Tandem oder im Team arbeiten. Sie sollen die Pflegekraft nicht verdrängen, sondern unterstützen. Das halte ich für eine gute Idee. Manche Tätigkeiten sind sehr anstrengend und gefährlich. Hier kann der Roboter helfen. Aber es sollte eben nicht nur die Pflegekraft berücksichtigt werden, sondern auch der Patient. Er sollte sich entscheiden können, ob er einen Roboter an seiner Seite haben will.

Der Einsatz von Pflegerobotern ist nicht ganz unumstritten und in der Pflege nicht durchgehend akzeptiert. Vor welchen Problemen beziehungsweise Herausforderungen stehen wir als Menschen im Umgang mit Pflegerobotern? Welche Kontroversen ergeben sich?

Bendel: Manche befürchten eine Pflegemaschinerie, die Vorherrschaft künstlicher Intelligenz, den Verlust menschlicher Kontakte. In 30 Jahren könnte es durchaus sein, dass Patienten das Personal nur noch selten zu sehen bekommen. Das könnte man freilich verhindern. Außerdem werden mobile Roboter als potenzielle Spione wahrgenommen. Sie haben Kameras und Sensoren, die sie in vielfältiger Weise benutzen, aber auch missbrauchen können.

Welche Verantwortung haben wir Menschen, wenn es um den Umgang mit ihnen geht?

Bendel: Zunächst einmal liegt die moralische Verantwortung immer bei den Menschen. Das Problem bei Robotern kann sein, dass nicht zweifelsfrei festzustellen ist, wer die moralische oder auch rechtliche Verantwortung zu tragen hat. Das fängt damit an, dass bei der Herstellung und beim Betrieb hunderte Angestellte beteiligt sein können. Deshalb denkt man an Konstrukte wie die elektronische Person. Aus rechtlicher Perspektive kann man mit dem Roboter durchaus eine Haftung verknüpfen. Eine moralische Verantwortung entsteht aber auch damit nicht.

Beschäftigen wir uns zu wenig mit ethischen Fragen, wenn es um Digitalisierung geht?

Bendel: Ich habe im Moment eher den Eindruck, dass man sich zu viel mit ethischen Fragen beschäftigt. Wir sollten uns mehr dem Recht zuwenden: In einigen Anwendungsbereichen müssen Gesetze durchgesetzt oder überhaupt geschaffen werden.

Müssen Roboter Rechte haben?

Bendel: Roboter haben keine Rechte. Sie haben keine Empfindungs- oder Leidensfähigkeit, kein Bewusstsein als mentalen Zustand, keinen Lebenswillen. So etwas bräuchten sie aber, um Rechte zu erhalten. Sie haben genauso wenig Rechte wie Steine. Wenn es einen Roboter gäbe, der empfinden und leiden könnte, dann müsste man ihm Rechte zugestehen. Aber so etwas ist nicht in Sicht.

Habe ich als Patient die Pflicht, meinen Roboter gut zu behandeln?

Bendel: Sie können Ihren Roboter so behandeln, wie Sie wollen. Er fühlt nichts, er leidet nicht, ihm ist es egal. Der Roboter ist kein Objekt der Moral. Natürlich könnte es sein, dass Sie mit der Zeit verrohen, wenn Sie ihn ständig malträtieren. Dann haben Sie ein Problem, aber eben nicht der Roboter. Sie sind das Objekt der Moral. Natürlich sollten Sie auch keinen Roboter beschädigen, der jemand anderem gehört. Denn der könnte darunter leiden, womit er wiederum ein Objekt der Moral wäre. Oder er hätte einfach einen finanziellen Schaden.

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Therapieroboter Paro wird in der Demenztherapie eingesetzt

Foto: Tekniska museet/Peter Häll (CC-BY-SA 4.0 / https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de)

Würden Sie sich persönlich von einem Roboter pflegen lassen?

Bendel: Ich kann mir gut vorstellen, dass mich ein Roboter im Alter unterstützt, neben einem Menschen, den ich mag oder der seine Arbeit gut macht. Am besten wäre es, wenn ich bei Verstand wäre und den Roboter ganz gezielt herumscheuchen könnte. Ich möchte dagegen nicht, wenn ich nicht mehr bei Verstand bin, mit einem Therapieroboter abgespeist werden.

Wie steht Deutschland im internationalen Vergleich da, wenn es um den Einsatz medizinischer Roboter geht?

Bendel: Operations- und Therapieroboter sind in Deutschland, wie in der Schweiz, breit im Einsatz. Pflegeroboter nicht, nirgendwo auf der Welt. In Deutschland gibt es vielerorts nicht die nötige technische Infrastruktur. Das ist auch ein Problem beim Einsatz von Robotern und künstlicher Intelligenz.

In Deutschland gibt es also noch Nachholbedarf bei Robotern im Gesundheitsbereich. Wie stellen Sie sich den Einsatz von Pflegerobotern in 20 Jahren vor?

Bendel: In 20 Jahren werden Krankenhäuser und Pflegeheime sowohl spezialisierte als auch generalistische Roboter beschäftigen. Es wird aber vermutlich keine Schwemme einsetzen. Wer es sich leisten kann, hat einen Pflegeroboter zuhause. Dieser wird dann einiges können, woran man heute noch scheitert: Er wird Personen ausziehen und anziehen, sie füttern und waschen können. Und vielleicht wird er auch sexuelle Assistenzfunktionen haben. Die sexuelle Befriedigung wird in Pflege und Betreuung zu wenig beachtet. Allerdings wünsche ich mir, dass sich zur Lösung dieses Problems eher Menschen als Roboter finden.

Definitionsquellen:

Definitionen nach Prof. Dr. Oliver Bendel im Gabler Wirtschaftslexikon:

Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung: