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Warum der Verkauf von Staatsbürgerschaften und Aufenthaltsgenehmigungen in der EU eine Gefahr für die Gemeinschaft darstellt

So wertvoll wie Gold

Pässe besitzen in unserer Welt eine unterschiedliche Wertigkeit. Laut Statista rangieren 2021 Deutschland, Finnland und Italien ganz oben unter den Staaten mit den mächtigsten Pässen weltweit. Gemessen wird die Anzahl der Länder, die ohne Visum bereist werden können. Und das sind bei den drei EU-Ländern mindestens 190. So eine Reisefreiheit ist erstrebenswert. So sehr, dass manche EU-Länder ihren Pass und damit ihre Staatsangehörigkeit zum Kauf anbieten.

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Die Idee ist denkbar einfach: Wer als Nicht-EU-Bürger*in im EU-Land investiert, bekommt im Austausch dafür die Staatsangehörigkeit oder Aufenthaltsgenehmigung. Und weil die Investitionen in Luxusimmobilien, Entwicklungsfonds oder Anteile an Unternehmen erheblich sind, sprechen wir auch von goldenen Pässen und Visa. Viele europäische Länder haben solche Mechanismen eingeführt. Die meisten für den Erhalt von Visa – Zypern, Malta und Bulgarien sogar für goldene Pässe. In Zypern bekam etwa wer zweieinhalb Millionen Euro investierte die Staatsbürgerschaft gratis dazu. Auf Wunsch auch für Ehepartner und Kinder. Seit wenigen Jahren geht die EU dagegen vor.

Darum stellt der Passhandel ein Problem dar

„Der Passhandel ist eine Frage der Bürgerrechte“, sagt Sven Giegold, Europaabgeordneter der Grünen. „Und ich finde, dass Bürgerrechte sowie ihren Rechte und Pflichten entwertet werden, wenn man sie kaufen kann wie einen Sack Kartoffeln.“ Vielmehr würden Bürger*innenrechte durch Integration erworben, indem Personen in einem Land aufwachsen würden oder sich dazu entschieden, dort hinzuziehen und sich zu integrieren. „Durch den Passhandel entsteht eine Gruppe reicher Sonderbürger, die mit dem Land eigentlich nichts zu tun haben, die dort nicht leben und sich dem Land nicht verbunden fühlen – und dies auch gar nicht wollen.“ Damit werde der bürgerschaftliche Zusammenhalt zerstört.

Jüngste Beispiele hätten gezeigt, dass Pässe für Menschen, die in Korruption, Geldwäsche und Kriminalität verwickelt sind, sehr begehrt zu sein scheinen, sagt Roland Papp, Senior Policy Officer bei Transparency International EU. Mit dem Pass eines EU-Mitgliedslandes könnten sie sich der Justiz entziehen: „Einfach ausgedrückt: Inhaber von EU-Pässen werden möglicherweise weniger kontrolliert, wenn sie Geld im europäischen Finanzsystem bewegen.“ Demnach würden sie unter dem Radar von Sanktionsregelungen fliegen. „Wenn es in der Heimat schwierig wird, könnten Antragsteller*innen mit einem goldenen Pass oder Visum theoretisch eine Du-kommst-aus-dem-Gefängnis-frei-Karte haben, die es ihnen ermöglicht, das Land zu verlassen, sich der Strafverfolgung zu entziehen und die Freizügigkeitsregeln der EU zu nutzen.“

2020 hat die EU Vertragsverletzungsverfahren gegen Malta und Zypern eingeleitet

Die Vertragsverletzungsverfahren sind derzeit noch nicht abgeschlossen. Die Tatsache, dass die Europäische Kommission kürzlich Zypern und Malta erneut aufgefordert hat, zeige aber, dass die bisher von beiden Ländern ergriffenen Maßnahmen noch nicht ausreichen, meint Papp. „Die EU-Kommission sollte das Verfahren jetzt schnell vor den Europäischen Gerichtshof bringen“, fordert Sven Giegold. Gleiches gelte für Bulgarien. Dort liege das Gesetz zur Abschaffung im Parlament, werde aber nicht beschlossen, da das Interesse daran gering ist. „Man will lieber in den Euro als die Grundprinzipien europäischen Rechts einzuhalten. Und die Kommission verzichtet darauf, dieses Vertragsverletzungsverfahren zu führen.“ Im Falle Maltas beendete die Regierung das alte Programm, richtete aber ein neues Staatsbürgerschafts-Investitionsprogramm ein, das genau so funktioniert. „Die größten Herausforderungen bleiben bestehen – insbesondere der Ermessensspielraum, den die maltesischen Behörden bei der Prüfung eines Antrags haben, ist problematisch“, sagt Papp. „So wurden beispielsweise Spenden an wohltätige Stiftungen oder Mitgliedschaften in maltesischen Vereinen als ausreichend angesehen, um die enge Verbundenheit einer Person mit dem Land zu beweisen“, kritisiert er. Im Falle Zyperns stellte sich jüngst bei einer Überprüfung heraus, dass einige Personen die Staatsbürgerschaft gar nicht erst hätten erhalten dürfen. Die zypriotische Regierung hat deshalb beschlossen, 45 Personen die Staatsbürgerschaft zu entziehen, nachdem eine unabhängige Untersuchung einige der Fälle untersucht hatte. „Viele dieser Fälle, die von Journalist*innen aufgedeckt wurden, beweisen, dass das System missbraucht wird. Alle diese Fälle müssen jetzt überprüft werden. Die Sorgfaltspflicht sollte auf die von ihnen angelegten Gelder ausgedehnt werden, und bei Bedarf sollten weitere rechtliche Schritte eingeleitet und Vermögenswerte beschlagnahmt werden“, fordert Papp.

Es ist nicht nur Sache eines einzelnen Landes, über die Vergabe seiner Staatsbürgerschaft zu entscheiden

Die Bürger*innen eines EU-Mitgliedstaates sind gleichzeitig Bürger*innen der EU. Deshalb hat die Unionsbürgerschaft unmittelbare Auswirkungen auf die Union als Ganzes. Die EU-Bürgerschaft bringt Rechte mit sich: das Recht auf Freizügigkeit, das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunal- und EU-Wahlen, das Recht auf konsularischen Schutz außerhalb der EU und das Recht auf Zugang zum Binnenmarkt. „Das Verkaufsargument für goldene Pässe und Visa ist immer der Zugang zur gesamten EU, nicht nur zu Malta oder Bulgarien“, erklärt Roland Papp. Die Staatsbürgerschaft durch Investition sei nicht mit dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit und dem grundlegenden Status der Unionsbürgerschaft, wie er in den Verträgen festgelegt ist, vereinbar. „Die Mitgliedsstaaten haben zwar das Recht, selbst über ihre Staatsbürgerschaften zu bestimmen, müssen aber die Grundprinzipien Europas akzeptieren“, sagt Giegold. „Aus dem gemeinsamen Bürgerrecht eine Ware zu machen, unterminiert diese Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit.“

Das bringt der Verkauf von Staatsbürgerschaften Malta und Zypern

„Der Grund, warum Malta und Zypern immer noch an diesen Programmen festhalten, ist wahrscheinlich, dass die finanziellen Gewinne für diese kleinen Länder sehr hoch sind“, sagt Roland Papp. Das hätten Recherchen von Transparency International ergeben: Zyperns potenzielle Einnahmen aus dem Programm entsprechen demnach 7,5 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts, Maltas Zufluss im Jahr 2017 entsprach 2,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.



Darum werden goldene Pässe und goldene Visa unterschiedlich betrachtet


Die Verleihung der Staatsbürgerschaft schafft eine sehr starke Verbindung zwischen einem Bürger und einem Staat. Roland Papp von Transparency International sieht darin einen Unterschied zum Visum: „Eine Aufenthaltserlaubnis bringt zwar bestimmte Rechte mit sich, die für viele sehr wertvoll sind, ist aber dennoch eine schwächere Verbindung, die weitere Kontrollen und Schritte erfordert, während ein Bürger in der Regel sein ganzes Leben lang Bürger des jeweiligen Staates bleibt“. Der EU-Parlamentarier Sven Giegold sieht das anders: „Die Zahlen für Visa sind viel höher. Die beiden größten Programme haben Portugal und Spanien, größere Mitgliedsländer, die politisch besser beleumundet sind. Bei den Vertragsverletzungsverfahren ist die EU-Kommission mehr von politischen als rechtlichen und objektiven Kriterien getrieben.“ Die Rechte eines Visum-Inhabers würden zwar nicht so tief greifen, aber in Portugal etwa könne man nach fünf Jahren Staatsbürgerschaft beantragen – ohne etwas zu zahlen. „Und das machen viele.“

Darum zögert die EU-Kommission mit harten Konsequenzen

„Visafreiheitsabkommen sind eigentlich sinnvoll. Sie fördern die Freizügigkeit von Personen auf der Welt“, sagt Sven Giegold. „Eine Welt ohne Grenzen gehöre seit Kant zur Vision vieler Menschen. „Wenn aber Länder dieses Recht zur Ware für zwielichtige Gestakten machen, hört der Spaß auf.“

Wie geht es weiter?

Roland Papp von Transparency International fordert eine strengere Sorgfaltspflicht für alle Visaprogramme: „Die staatlichen Behörden müssen sicherstellen, dass sie strenge Hintergrundprüfungen durchführen, einschließlich der Herkunft des Vermögens der Personen. Sie müssen Schlupflöcher schließen, indem sie die gleichen Maßnahmen auch für die Antragsteller und ihre Familienmitglieder anwenden.“

Es braucht konkrete Skandale, ist EU-Parlamentarier Giegold überzeugt: „Es muss jemand her, der mit so einem Pass hier hereingekommen ist und Mist gebaut hat. Und das wird auch passieren.“ Dann werde die Energie steigen. „Es gibt in unserer Welt einen geteilten Rechtsstaat – einen für die reichen und einen für die normalen Leute. Diese Spaltung führt in die Versuchung von Autoritarismus und Demokratieskepsis. Und das ist höchstgefährlich.“