Christina Lynggaard and Kristine Bohmann collect air samples at the Copenhagen Zoo CREDIT Christian Bendix

Air Sampling: Die Forscher*innen Christina Lynggaard (links) und Kristine Bohmann sammeln Luft ein. Foto: Christian Bendix

Wie Wissenschaftler*innen mit Umwelt-DNA aus der Atmosphäre Tiere verfolgen können

Es liegt etwas in der Luft

Luft umgibt alles. Kein Wunder also, dass sie wichtige Informationen enthält. Wie etwa DNA. Wissenschaftler*innen aus Dänemark haben mittels Air Sampling das Erbgut von Wirbeltieren aus der Luft gesaugt. Klingt verrückt, doch die Methode könnte das Bio-Monitoring revolutionieren, wie die Forscherin Christina Lynggaard im Interview mit Futurium-Onlineredakteurin Ludmilla Ostermann erklärt.

Christina Lynggaard and Kristine Bohmann collect air samples at the Copenhagen Zoo CREDIT Christian Bendix

Air Sampling: Die Forscher*innen Christina Lynggaard (links) und Kristine Bohmann sammeln Luft ein. Foto: Christian Bendix

Wie funktioniert Air Sampling?

Christina Lynggaard: Es funktioniert ein bisschen so ähnlich wie Staubsaugen. Je nachdem, welche Art von Gerät man nimmt. In unserem Experiment haben wir zwei verschiedene Methoden angewendet. Im ersten Versuch haben wir einen handelsüblichen Staubsauger mit einer Wasserkammer verwendet. Bei dieser Methode strömt die angesaugte Luft durch Wasser, wobei alle Partikel im Wasser bleiben und die Luft am Ende sauber herauskommt. Viele Menschen nutzen dieses Verfahren beim Putzen im Haushalt. In der zweiten Versuchsanordnung haben wir kleine Gebläse verwendet, wie sie auch zur Kühlung von Computern eingesetzt werden. Zunächst haben wir mit dem 3D-Drucker ein würfelförmiges Gehäuse für den Filter hergestellt und oben auf dem Gebläse befestigt. Dabei blieben alle Partikel im Inneren dieses Filters mit dem Filtergrad einer Klimaanlage hängen.

Die Methode des Air Sampling haben Sie zusammen mit Ihrem Team im Kopenhagener Zoo angewendet. Was haben Sie gefunden?

Lynggaard: Wir konnten Partikel von 49 Wirbeltierarten nachweisen – von Säugetieren und Vögeln, Fischen und Amphibien, und sogar von einer Reptilienart.

Was hat Sie am meisten überrascht?

Lynggaard: Zunächst einmal, dass die Methode überhaupt funktioniert. Eigentlich sind wir nicht davon ausgegangen, dass sie funktionieren würde. Dazu muss man wissen, dass meine Chefin Fördergelder von einer Stiftung erhalten hat, die Mittel für verrückte Ideen bereitstellt – Ideen, die höchstwahrscheinlich nicht richtig oder überhaupt nicht funktionieren werden. Falls sie gegen alle Erwartungen doch funktionieren, könnten sie ihr Fachgebiet revolutionieren. Wir waren überrascht, dass wir Partikel sowohl von sehr großen Tieren, wie Giraffen und Nashörnern, als auch von sehr kleinen Tieren, wie verschiedenen Mäusen und sogar einer Kröte, nachweisen konnten. Wir entdeckten auch Fischpartikel in der Luft und fragten uns, warum wir in der Luft des Regenwaldhauses die DNA eines Guppys nachweisen konnten. Dort gibt es Teiche mit vielen Guppys, aber auch einen Wasserfall, der die Guppy-DNA in die Luft gesprüht haben könnte. In unserem Fall diente der Fisch als Futter für andere Zootiere.

Welche neuen Möglichkeiten und Chancen eröffnen sich für die Wissenschaft durch Air Sampling?

Lynggaard: Die Methode steckt noch in den Kinderschuhen, aber irgendwann wird sie es uns ermöglichen, Tiere auf nicht-invasive Weise zu überwachen. Wir werden ein Tier nicht mehr live sehen müssen, um es erfassen zu können. Es wird genügen, seine Partikel in der Luft nachzuweisen. Wirbeltiere nachzuweisen ist bislang eine Herausforderung, weil der Boden so viel Umwelt-DNA enthält. Forscher*innen verwenden zu diesem Zweck Bodenproben. Allerdings muss das Tier den Boden betreten, von dem die Probe entnommen wird. Oder im Falle von Wasser: Das Tier muss mit dem Wasser in Berührung kommen – zum Beispiel, indem es ins Wasser geht oder aus einem See oder Fluss trinkt. Anschließend lässt sich das Wasser auffangen und die DNA nachweisen. Was aber, wenn das Tier einfach nicht trinkt?

Eignet sich diese Methode dazu, vermeintlich ausgestorbene Arten zu finden?

Lynggaard: Ich halte das durchaus für möglich. Natürlich nur, wenn die Tiere, von denen man annimmt, dass sie ausgestorben sind, es tatsächlich gar nicht sind. Vielleicht sind sie einfach nur extrem scheu, oder es leben nur noch wenige Exemplare. In diesem Falle wären sie sehr schwierig zu überwachen. Manchmal reichen Kamerafallen allein nicht aus, um nachzuweisen, dass sie sich in einem bestimmten Gebiet aufhalten. Wir hoffen also, dass wir solche Arten mit Hilfe von Air Sampling leichter aufspüren können.

Wie kann Air Sampling zur Bekämpfung von Pandemien beitragen?

Lynggaard: Air Sampling wird bereits zum Nachweis von Viren und Bakterien in der Luft verwendet. Der Nachweis von Wirbeltierpartikeln in der Luft könnte die Überwachung von Tieren, die Träger von Krankheiten sind, erleichtern. Theoretisch könnten wir ein und denselben Filter verwenden, um sowohl Erreger als auch Partikel von Tieren, die sich in der Nähe der Entnahmestelle aufhalten, nachzuweisen. Damit wäre es einfacher, einen Erreger zu identifizieren und gleichzeitig das Tier zu bestimmen, das den Erreger in sich trägt. So könnte es meiner Meinung nach in Zukunft funktionieren.

Wir wissen nicht genau, wie sich DNA in der Luft verhält.

Christina Lynggaard

Mit welchen Herausforderungen hatten Sie es beim Air Sampling zu tun?

Lynggaard: Wir hatten eine ganze Reihe von Herausforderungen zu bewältigen. Wind war ein Problem: Er zerstreut nämlich sämtliche Partikel und DNA. Wir gehen davon aus, dass unsere Ergebnisse wahrscheinlich anders ausfallen werden, wenn wir die Proben in einem sehr offenen, windigen Gebiet nehmen. Es wäre möglich, dass wir in diesem Fall nicht nur Tiere in der unmittelbaren Umgebung nachweisen, sondern auch solche, die weiter entfernt sind – denn der Wind könnte deren DNA zum Ort der Probenahme getragen haben. Wenn wir hingegen in einem mehr oder weniger geschlossenen Gebiet – wie einem Wald oder einer Höhle – Proben nehmen, ist es wahrscheinlicher, dass wir nur Tiere nachweisen, die sich direkt vor Ort aufhalten.
Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass wir nicht wissen, in welchem Ausmaß verschiedene Arten ihre DNA abgeben. Einige Arten setzen definitiv mehr DNA frei als andere. Das könnte einer der Gründe sein, warum wir von bestimmten Arten mehr DNA gefunden haben als von anderen.
Es sind sogar Unterschiede zwischen Individuen derselben Art denkbar: Manche Tiere putzen oder kratzen sich – z.B. aufgrund von Juckreiz – besonders häufig und setzen deswegen mehr DNA frei als andere Individuen ihrer Art. Eine weitere Herausforderung ist der Zerfall der DNA: Sobald DNA in die Umwelt gelangt, wo sie Regen, Sonne oder Sauerstoff ausgesetzt ist, beginnt sie zu zerfallen. Wir wissen nicht genau, wie sich DNA in der Luft verhält – ob sie an Partikel gebunden ist und durch diese vor dem Zerfall geschützt ist, oder ob die DNA frei in der Luft schwebt, wodurch sie leichter zerfallen würde. Sollte sich herausstellen, dass DNA sehr schnell zerfällt, würde das einen Nachweis von Tieren, die sich drei Tage vorher in dem Gebiet aufgehalten haben, unmöglich machen.
Und nicht zuletzt stellt sich die Frage nach der Aufbereitung der DNA im Labor. Vor Ort nehmen wir die Luftprobe in einen Behälter auf und verschließen ihn. Sobald wir im Labor den Behälter öffnen, vermischt sich die Laborluft mit unserer Luftprobe. Deshalb müssen wir sicherstellen, dass wir genau wissen, was in der Luft unserer Labors ist. Falls wir also seltsame DNA in unserer Probe finden, können wir sie zumindest zurückverfolgen.

Wird Air Sampling regelmäßig in der Forschung eingesetzt?

Lynggaard: Bislang wird die Methode nicht zum Aufspüren von Landwirbeltieren eingesetzt. Luftproben werden aber zum Nachweis von Viren oder Bakterien genommen. Es gibt auch kleine Geräte zur Luftprobenahme, die man an seinem Laborkittel tragen kann, während man im Krankenhaus herumläuft. Air Sampling wird auch verwendet, um den Weg von Pflanzenpollen und Pilzsporen zu verfolgen, die vom Wind weggeweht werden. Und natürlich lässt sich damit auch Luftverschmutzung in verschiedenen städtischen Bereichen messen und in Relation zur Gesundheit der Arbeitnehmer*innen bringen.

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Was kommt als Nächstes? Wie wird sich Air Sampling weiter entwickeln?

Lynggaard: Der nächste große Schritt ist die Entnahme von Luftproben in der Natur. Wir haben die Methode erfolgreich im Zoo getestet, aber das ist eine sehr kontrollierte Umgebung, in der viele Tiere über viele Jahre hinweg in demselben begrenzten Gebiet leben. Das ist ein guter Machbarkeitsnachweis, aber jetzt müssen wir herausfinden, ob Air Sampling auch im offenen Gelände anwendbar ist. Die Methode muss auch noch ein wenig verfeinert werden. Nicht nur in Bezug auf die Art und Weise, wie wir DNA in der Luft auffangen, sondern auch in Bezug auf die Laborprotokolle, die wir anwenden. Wir könnten noch einige Verfahren ändern, um die DNA-Menge, die wir aus unseren Filtern gewinnen, zu erhöhen. Es gibt jedenfalls noch viel zu tun.