Bildung im 21. Jahrhundert
Zukunftsthemen in die Schule bringen
Noch nie hat sich die Welt so schnell verändert wie heute. Manches was gestern noch als Science-Fiction galt, ist heute bereits Wirklichkeit. Neue Technologien, Genom-Editierung oder Robotik halten Einzug in unseren Alltag. Gleichzeitig sind wir mit den Folgen der Industrialisierung konfrontiert. Klimawandel, das Verschwinden von Lebensräumen sowie das Artensterben bedrohen die Grundlagen unserer Existenz. Alle diese Veränderungen schaffen Unsicherheit. Kinder und Jugendliche stellen sich berechtigterweise die Frage: In welcher Welt werde und möchte ich in Zukunft leben?
Der Auftrag von Schule ist es, Kinder und Jugendliche auf die Zukunft vorzubereiten. Zukunftsfragen sind jedoch komplex und für vieles haben wir noch keine Antworten. „Es ist leichter Kinder und Jugendliche auf die Vergangenheit vorzubereiten, als auf die Zukunft“, sagt der Bildungsforscher der OECD Andreas Schleicher[1]. Dies bringt eine momentane Herausforderung unseres Bildungssystems auf den Punkt. Wie können wir angesichts beschleunigter gesellschaftlicher Dynamiken, rasanter technologischer Entwicklungen und ökologischer Herausforderungen Kinder und Jugendliche dabei unterstützen, Wissen, Kompetenzen, Perspektiven und Sicherheit zu erwerben?
Innovatives Denken und Kreativität gelten als Schlüsselkompetenzen im 21. Jahrhundert, aber auch kritisches Denken und soziale Skills, wie Empathie, Selbstwahrnehmung und Respekt gegenüber anderen Menschen (siehe Lernkompass 2030 OECD S. 69). Damit Kinder und Jugendliche diese ausbilden können, brauchen wir Lerngelegenheiten, in denen sie sich mit Zukunftsfragen auseinandersetzen können. In denen sie verstehen, dass Zukunft keine zwangsläufige Gegebenheit ist, sondern beeinflussbar und dass unterschiedliche Zukünfte möglich sind, je nachdem, welche Entscheidungen und Maßnahmen wir heute treffen. Es geht um Kompetenzen, mit denen Schüler*innen auf die Herausforderungen unserer Zeit reagieren können – im 4-Modell des Lernens sind sie zusammengefasst worden.
Bildungsmaterialien zum Thema Zukunft: Die Zukunftsboxen
Im Fokus der Bildungsarbeit im Futurium steht das Ziel einer Förderung von Futures Literacy, d.h. die Lesefähigkeit von Menschen, sich mit Hilfe ihrer Phantasie unterschiedliche Zukünfte vorzustellen und damit zugleich die Gestaltung von Zukunft in den Blick zu nehmen.[2] Mit Hilfe der Zukunftsboxen, die vom Education Innovation LAB gemeinsam mit dem Futurium entwickelt wurden, können Schüler*innen in die Rolle von Zukunftsforscher*innen schlüpfen. Fünf thematische Boxen ermöglichen es, die Zukunft der Arbeit, der Ernährung, der Energie, der Gesundheit und der Städte zu erkunden.
Die Materialien bestehen aus Kartensets, die unterschiedliche Informationen und Methoden aus der Zukunftsforschung verbinden. So werden z.B. Trends aufgezeigt, die heute schon auf künftige Entwicklungen eines Themas verweisen. Mit diesen können die Schüler*innen mögliche Zukunftsszenarien erarbeiten und sich über deren Folgen austauschen. Sie sind herausgefordert zu reflektieren, welche Szenarien sie für wünschenswert erachten und welche sie auf jeden Fall verhindern wollen. In der Auseinandersetzung mit der Szenariotechnik erfahren sie, wie sich unterschiedliche Faktoren gegenseitig beeinflussen und welche weitreichenden gesellschaftlichen Folgen, getroffene Entscheidungen haben können.
Sie erfahren aber auch, dass es möglich ist, Bilder einer wünschenswerten Zukunft zu kreieren und diese als Leitlinie für künftiges Handeln zu nutzen. Somit lernen sie, dass Visionen und Werte, die wir uns bewusst machen, Einfluss auf die Zukunft haben können. Gleichzeitig verweist der Einsatz sogenannter Wildcards auf die Möglichkeit der Zerstörung eines Idealszenarios durch unvorhergesehene Ereignisse, die eine geringe Wahrscheinlichkeit haben, deren Eintreten jedoch starke Veränderungen nach sich ziehen. Wildcards regen die Schüler*innen an, Auswirkungen eines Szenarios neu zu überdenken und zu diskutieren. So kann z.B. das Szenario einer nachhaltig gestalteten grünen Stadt durch das Auftreten eines Schädlings, der Gemüse befällt, gestört werden. Die Konfrontation mit dem Unvorhersehbaren macht deutlich, dass Zukunft permanent neu gestaltet werden muss und wir kreative Lösungen sowie Veränderungsbereitschaft brauchen, um hierbei erfolgreich zu sein.
Beispiel einer Wildcard.
Mit Hilfe der Blickwinkelmethode können sich die Schüler*innen in unterschiedliche Perspektiven zu einem Thema vertiefen und so erkunden welche Dilemmata bei der Lösung von Herausforderungen entstehen. Hierbei erfahren sie, dass es nicht mehr nur eine richtige oder falsche Lösung geben kann, sondern dass es auch zielführend sein kann, das „Sowohl als Auch” zu berücksichtigen, wenn eine Lösung für eine Herausforderung gefunden werden muss. Diese Auseinandersetzung trägt dazu bei, 21st Century Skills, wie Multiperspektivität und Kommunikationsfähigkeit, sowie die Fähigkeit gesellschaftliche Prozesse zu verstehen und mitgestalten zu können zu fördern.
Wie aus kleinen Informations-Schnipseln Zukunft imaginiert werden kann, lässt sich anhand der Methode: Das Objekt aus der Zukunft aufzeigen. Die Schüler*innen kombinieren aus einer Vorlage 3 Begriffe, wie z.B. bio, Flug, Chip und entwickeln aus dieser Kombination ein Zukunftsobjekt, das sie im Detail ausgestalten. Im nächsten Schritt überlegen sie, welche Auswirkungen, die von ihnen erdachten Erfindungen auf das Leben in einer möglichen Zukunft haben könnten.
Die Zukunft gehört den Kids
Kinder und Jugendliche spüren instinktiv, dass sich Zukunft zwischen Ungewissheiten und Möglichkeiten bewegt. Gleichzeitig leben sie oft schon mehr in der Zukunft als die Erwachsenen. Sie setzen bereits Trends, indem sie neue Technologien selbstverständlich nutzen und z.B. neue Kulturen der Kommunikation in digitalen Netzwerken schaffen. Vor allem jüngere Kinder sind fasziniert von KI und Robotics.
Im Paralleluniversum digitaler Spiele entstehen neue Gemeinschaften. Daher trifft die Auseinandersetzung mit Zukunftsthemen nicht nur auf Entdeckungsfreude und intrinsische Motivation, sie gibt Kindern und Jugendlichen auch die Möglichkeit, ihr Wissen und ihre Gestaltungsmöglichkeiten zu erweitern. Schließlich wissen sie, dass die Zukunft ihnen gehört und je mehr sie in der Lage sind diese mitzugestalten, um so mehr trauen sie sich zu, Verantwortung zu übernehmen und ihre Visionen einer besseren Welt umzusetzen. Diese Energie gilt es zu nutzen und Lernumgebungen zu schaffen, in denen Kinder und Erwachsene gemeinsam das Thema “Zukunft” erkunden und von und miteinander lernen können.
Die Zukunftsboxen sind im Futurium erhältlich: https://futurium.de/de/bildung-und-vermittlung/zukunftsbox
Hier können Lehrer*innen auch einen Leitfaden und ausführliches Unterrichtsmaterialien für den Einsatz der Zukunftsboxen herunterladen.
[1] Vortrag von Schleicher, Andreas: Welche Kompetenzen brauchen Kinder im 21. Jahrhundert
[2] Unter den maßgeblich von der UNESCO entwickelten „Futures Literacy“-Ansätzen (https://en.unesco.org/futuresliteracy/about) versteht man die Befähigung des Menschen zum aktiven Zukunftsdenken. Dabei geht es z. B. darum, die Auswirkungen des eigenen Handelns frühzeitig zu verstehen, indem wir uns im systemischen und vorausschauenden Denken üben.