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Photo: Studio Milz

Passt perfekt

Joyn Machine

Hocker, Gartenbank, 7-Meter-Turm: Wer hier mitbauen will, braucht keinen Gesellenbrief oder Meistertitel. Mit der Joyn Machine vom Berliner Studio Milz kann jeder Mensch seinen architektonischen Visionen konkrete Form verleihen. Das Prinzip ist ganz einfach: Die computergesteuerte Fräse verwandelt normale Baumarkt-Holzlatten in einen 3D-Bausatz. Die fertigen Teile lassen sie sich mit wenigen Handgriffen zu Stühlen, Bänken oder ganzen Häusern zusammenstecken.

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Photo: Studio Milz

Die richtigen Rahmenbedingungen

Interessante Maschinen haben Simon Deeg und Andreas Picker schon viele gebaut. Ihre Zeichenroboter, windbetriebenen Uhren oder experimentellen Sämaschinen sollen Menschen animieren, kreativ mit Technologie umzugehen. Besonders reizt sie dabei die Verbindung von digital und analog. Bei der Joyn Machine wird das Ergebnis per Hand zusammengefügt und verbindet so beide Welten: physisch und digital, Latten und Daten, Hightech und Lowtech.

Deeg erklärt: „Die ursprüngliche Idee hatten wir eigentlich schon im Studium. Damals haben wir sehr viel mit Baumarkt-Holzplatten gearbeitet. Und weil wir uns als Designer auch mit digitalen Tools beschäftigen, wollten wir das kombinieren. Mit einer Maschine, die gewisse handwerkliche Tätigkeiten abnimmt, aber gleichzeitig einen klaren Rahmen vorgibt. Damit können wir einfache Stabwerkkonstruktionen wie einen Pavillon bauen, aber auch Möbelstücke wie Hocker und Bänke. Also alles von kleinen Alltagsprodukten bis zu gewerblichen Nutzbauten und sogar Brücken.“

Schrauben und Nägel dürfen draußen bleiben

Die Joyn Machine übernimmt dabei die gesamte Fertigungskette, vom Design bis zur Herstellung der einzelnen Holzteile. Digital ist an der Joyn Machine vor allem die Software, mit der unterschiedliche Gegenstände gestaltet werden können. Sie berechnet ein 3D-Modell, das sich mit der mobilen Fräse fertigen lässt.

Ein kleiner Bildschirm führt Nutzer*innen dann Schritt für Schritt durch den simplen Prozess: Latte einführen, Fräsen, Drehen und Bauteil entnehmen. Das Gute daran: Die Software berechnet alle Steckpunkte so, dass Nägel und Leim weitestgehend überflüssig sind und alles bombensicher hält. Der so entstandene Bausatz muss nur noch von Hand zusammengesteckt werden. Außerdem ist die CNC-Maschine mit etwa 100kg ist ein relatives Leichtgewicht und schnell an den richtigen Einsatzort gerollt.

Heute Schreiner, morgen Architekt

Im Futurium stehen verschiedene Beispiele, die Studio Milz gemeinsam mit dem Architekten Patrick Bedarf und dem Industriedesigner Dustin Jessen hergestellt haben. Diese Möbel können in Workshops auch von Besucher*innen selbst gebaut werden. Patrick Bedarf erklärt, dass „jeder Ottonormalverbraucher hier selbst kreativ werden kann“, und Dustin Jessen ergänzt, dass „die Joyn Machine ähnlich wie ein 3D-Drucker funktioniert. Man muss kein ausgebildeter Schreiner sein, um relativ komplizierte Verbindungen und Konstruktionen zu erzeugen.“

Wer hier mitmachen will, braucht also keine Vorkenntnisse in Holzarbeit, Design, Architektur oder Statik. Anders gesagt: Wer mit einer simplen Smartphone-App zurechtkommt, kann auch die Joyn Machine bedienen. Per Livevideo auf dem angeschlossenen Tablet sieht man sogar, was gerade in der Maschine passiert.

Kinderleichte Konstruktion

Dieser kollaborative Ansatz ist Studio Milz sehr wichtig: Der Mensch kann kreativ sein und direkt loslegen. Entweder mit eigenen Entwürfen oder mit praktischen Vorschlägen aus einem Onlinekatalog. Als tolles, begehbares Beispiel hat das Team im Lab einen ganzen Pavillon aufgebaut. „Im unteren Bereich haben wir Tisch- und Sitzflächen integriert, aber wir wollten auch den architektonischen Aspekt betonen: Wir können mit der Joyn Machine in die Höhe gehen, ein Dach erzeugen, einen Schutz- oder Rückzugsraum bauen“, so Bedarf. „Kurz gesagt, wir wollten zeigen, was für ein großes Spektrum man hier selbst mit begrenzten Mitteln abdecken kann.“

Durch ihre luftige Konstruktion sind diese Möbel und Strukturen nicht nur einfach zu bauen, sondern auch echte Leichtgewichte. Lust bekommen? Wir empfehlen einen der Workshops direkt im Futurium.

Vorteil: Holz

Obwohl weitere Joyn Machine-Funktionen angedacht sind, wird sich am Werkstoff erst einmal nichts ändern. Simon Deeg outet sich als Fan von Holz als Baumaterial. „Es macht einfach unheimlich Spaß, damit zu arbeiten.“ „Holz bietet große Vorteile. Man kann viele verschiedene Holzarten verwenden. Und die Steckverbindungen schaffen eine riesengroße Vielfalt und Variabilität. So gesehen sind die Möglichkeiten, die mit der Maschine entstehen, quasi grenzenlos. Besonders mit Blick auf die Ressourcenknappheit und die Probleme mit Stahlbetonbauweisen ist Holz auch in der Architektur eine gute, nachhaltige Alternative“, ergänzt Dustin Jessen.

Und schließlich gibt es aktuell ein Holzbau-Revival, was auch mit modernen Fertigungsverfahren wie der Joyn Machine, zusammenhängt. Sie ermöglichen sogenannte Mass Customization, bei der jedes Teil nach Bedarf individuell angefertigt wird. „Bei diesem Pavillon sind es z. B. 250 Teile und nur ganz wenige von ihnen, etwa 10 Prozent, sind ähnlich oder gleich. Jede Latte und jedes Bauteil ist also komplett anders“, erklärt Simon Deeg. „Und anhand des digitalen Modells könnte man diesen Pavillon jetzt auch ganz einfach in Tokio, London oder Los Angeles neu aufbauen oder leicht verändern und dieses Wissen dann wieder einfließen lassen.“

Groß denken, klein produzieren

Eins ist den Machern besonders wichtig: die kreative Kollaboration zwischen Mensch und Maschine. Und die läuft nicht immer glatt und vorhersehbar ab, was die Joyn Machine im Gestaltungsprozess ruhig widerspiegeln darf. „In der digitalen Fabrikation werden oft perfekte Visionen perfekter Welten geschaffen, aber wir wissen alle, dass das Leben nicht perfekt, linear oder vorhersehbar ist“, meint Patrick Bedarf. Und auch seinem Kollegen Dustin Jessen ist wichtig, „dass man beim Design immer daran denkt, dass man etwas für andere Menschen gestaltet. Die Technologie dahinter, und was damit möglich ist, sollte nicht im Vordergrund stehen.“

Stattdessen geht es Studio Milz um die Öffnung, die Demokratisierung von Design und Architektur, denn „die Zukunft wird immer gemacht. Wenn wir ein Teil davon sind, können wir diese Zukunft aktiv mitgestalten.“