Credits: David von Becker
Wohnen in Bewegung
Hybrid Catalogue House
Warum sollten wir in Zukunft nur noch an einem Ort leben? Das Designkollektiv Refunc hat eine Vision für temporäres Wohnen entwickelt, das fast keine Ressourcen benötigt: das Hybrid Catalogue House. Dieses Haus ist leicht zu transportieren und kann an jedem Ort aus lokalen Gegenständen und Materialien und mit lokalem Wissen aufgebaut werden. Und es kann genauso schnell wieder abgebaut werden. Denn es funktioniert nach dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft.
Credits: David von Becker
Ein Haus als Idee
Ein Hybrid Catalogue House ist genauso mobil wie seine Bewohner*innen. Denn diese Haus hat keinen festen Bauplan. Je nach Ort und Bedürfnissen der Bewohner*innen sieht es anders aus. Es besteht aus einem Skelett aus Metallstangen, das leicht transportiert und zusammengebaut werden kann. Wie in einem Katalog sucht man dann lokale Dinge, Materialien und handwerkliche Techniken aus, mit denen das Haus fertig gebaut wird. In Peking könnte nachwachsender Bambus benutzt werden oder das uralte Handwerk, aus Bambusrohren stabile Gerüste zu bauen. In der argentinischen Küstenstadt Ushuaia könnte man Treibholz vom Strand sammeln und gebrauchte Alpaka-Wolldecken, die vor dem zugigen Wind schützen. Und in der madagassischen Hauptstadt Antananarivo bietet eine Fassade aus Palmenblättern Schutz vor der Sonne. Die Gründer von refunc, Denis Oudendijk und Jan Körbes, haben im Futurium in Berlin das erste Hybrid Catalogue House gebaut. Aus Biertischen werden hier Wände, aus Umzugsdecken Isolationen und Klemmbretter bilden die Fassade.
Mobiles Leben
Wie es ist mit seinem Haus zu verreisen und auf engstem Raum zu leben, weiß Jan Körbes sehr gut. In Den Haag, wo das Büro von refunc ist, bauten er und sein Team aus einem alten Futtersilo, das lange auf einem holländischen Bauernhof stand, ein sogenanntes Tiny House. Mit viel Kreativität und vielen gebrauchten Gegenständen richtete sich Jan auf 14 qm2 einen Ort zum Leben und Arbeiten ein. Da seine Tochter in Berlin lebt und er immer wieder auch beruflich in Berlin sein muss, lud er das Haus auf einen Anhänger und transportierte es nach Berlin. Nun steht es am Zentrum für Kunst und Urbanistik in Moabit.
Jan zeigt mit seinem Silohaus, wie wir in Zukunft wohnen könnten. Wir leben an mehr als einem Ort, sind global vernetzt und können von überall arbeiten. Wir speichern Musik, Bücher und Fotos in der Cloud. Gegenstände, die nicht mit uns reisen können, verlieren an Bedeutung. Gleichzeitig nutzen wir, was wir finden können, um einen persönlichen Rückzugsort zu bauen. Mobile Tiny Houses, wie das Silohaus oder das Hybrid Catalogue House können ein erster Blick in ein mobiles Leben in der Zukunft sein.
Aus allem kann alles werden
Die Bauweise des Hauses deutet noch auf eine andere wichtige Zukunftsvision: Kreislaufwirtschaft. Die Idee von Kreislaufwirtschaft ist es, Dinge und Materialien so lange wie möglich zu nutzen, ohne dass sie zu Abfall werden. Das ist eine Spezialität von Denis und Jan von Refunc. Sie lieben es alten Dingen neue Leben zu geben. Aus Lüftungsschächten bauen sie Strandkörbe für eine Ausstellung, aus gemieteten Klappstühlen eine Arena und aus Betonteilen vom Bau eine urbane Lounge. Das besondere ist, dass sie auch die Zukunft ihrer Projekte immer mitdenken. Was passiert, wenn die Ausstellung beendet ist? Was, wenn die Arena nicht mehr gebraucht wird? Oder die Lounge schließt? Die Gegenstände bekommen einfach ihre ursprüngliche Funktion wieder. Es entsteht kein Müll.
Diese Denkweise ist heute noch eine echte Ausnahme. 37 Prozent des Abfalls, der in Europa entsteht, kommt aus der Bauwirtschaft. Bisher wird also die Zukunft von Materialien beim Bauen noch viel zu wenig berücksichtigt. Häuser, die sich demontieren lassen, könnten in Zukunft sehr viel weniger Abfall produzieren. Wenn sie nicht mehr gebraucht werden, dienen sie einfach als Rohstoffquellen. Manche Architekt*innen fordern, dass wir in Zukunft nur noch nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip bauen. Das heißt, nur noch Materialien zu nutzen, die wiederverwendet werden können und keinerlei Abfall produzieren.
Eine Welt ohne Abfall
Mit ihrer Arbeit wollen Refunc unseren Blick auf die Dinge um uns verändern. Wir können von ihnen lernen, dass wir fast alles, was wir brauchen aus Dingen bauen können, die es schon gibt. Mit dieser zirkulären Art der Ressourcennutzung bekommen die Dinge um uns immer wieder neue Funktionen. Abfall gibt es dann nicht mehr. Wenn Denis und Jan aus Bierbänken und Umzugsdecken Häuser bauen können, ist das nur der Anfang einer neuen Art zu Bauen und zu Leben. Ganz nach der Idee: In Zukunft kann aus allem alles werden.