© David von Becker
Mobilität der Zukunft
Es bewegt sich was
Die Mobilität in unseren Städten verändert sich gerade rapide: In Innenstädten entstehen autofreie Zonen. Elektrifizierte Fahrzeuge erobern die Straßen und Bürgersteige. Und Smartphones können Staus in Echtzeit anzeigen. Gleichzeitig ist der Verkehr noch immer für mehr als 20 Prozent der jährlichen CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Deshalb suchen Wissenschaftler*innen und Künstler*innen nach neuen Lösungen für die urbane Mobilität der Zukunft. Das Futurium Lab zeigt, an welchen Ideen und Prototypen Wissenschaftler*innen und Künstler*innen heute arbeiten und wie sie dabei vorgehen.
© David von Becker
Drei große Fragen
Lange galt in Fragen der Mobilität das Prinzip: hauptsache schnell von A nach B. Bis in die 1990er war das Leitbild die autogerechte Stadt. Die Antwort auf fast alle Mobilitätsprobleme lautete: mehr Straßen, mehr Parkplätze, mehr Autobahnen. Seitdem hat sich der Blick auf Mobilität stark gewandelt. Die Klimakrise, verstopfte Innenstädte und hohe Feinstaubbelastung haben viele Menschen zum Umdenken bewogen. Mobilitätsforscher*innen wie Andreas Knie sagen: „Man muss die Stadt praktisch wieder neu erfinden und eigentlich wieder an ihre Wurzeln zurückkommen.“ Drei große Fragen beschäftigen viele Wissenschaftler*innen und Stadtplaner*innen heute: Wie kann Mobilität klimafreundlicher werden? Wie kann sie ressourcenschonender sein? Und wie kann sie die Lebensqualität in Städten steigern, statt sie zu verringern?
Mit Simulationen Zukünfte erkunden: Future Mobility Simulator
Eine wichtige Methode um Antworten auf diese Fragen zu finden sind Simulationen. Wissenschaftler*innen und Stadtplaner*innen bauen Modelle von Städten und Verkehrssystemen, um zu testen wie sich neue Mobilitätskonzepte auswirken. Wie verändert sich zum Beispiel der Verkehrsfluss, wenn eine Straße für Autos gesperrt wird? Und wie die Luftqualität? Aus den Ergebnissen der Simulationen werden dann Handlungsempfehlungen abgeleitet.
Im Futurium Lab können Besucher*innen ausprobieren, wie solche Simulationen funktionieren. Mit der interaktiven Installation Future Mobility Simulator der Initiative IMAGINARY können sie eine Stadt der Zukunft planen. Innerhalb von Sekunden lassen sich Szenarien erstellen und man kann testen, wie kleine Veränderungen das Stadtbild verändern können. Die Szenarien bauen auf dem Avoid-Shift-Improve-Modell auf, das auch in der echten Stadtplanung eingesetzt wird.
Credits: David von Becker
Prototyping: Fantastic Mobility
Eine andere Methode um neue Lösungen für die Mobilität der Zukunft zu entwickeln ist Prototyping. Wissenschaftler*innen und Designer*innen testen mit vereinfachten Prototypen ihre Ideen in der Praxis. Frei nach dem Motto: erst mal probieren und dann studieren. So können neue Fahrzeuge entstehen oder neue Zukunftsvisionen. Denn auch Zukunftsforscher*innen nutzen Prototyping. Spekulative Designer*innen bauen zum Beispiel Prototypen, um sich den Alltag in verschiedenen möglichen Klimaszenarien besser vorstellen zu können.
Die Installation Fantastic Mobility von BADABOOMBERLIN macht aus Prototyping ein interaktives Spiel. Besucher*innen können im Futurium Lab Prototypen für neue Fahrzeuge entwickeln und diese testen. Analoge Fahrzeug-Teile werden auf einem Tisch kombiniert. Eine Kamera mit Bilderkennung erfasst dann die Kombinationen und projiziert die Prototypen auf einen Greenscreen. So kann man spielerisch erleben, wie aus einer einfachen Idee ein fantastisches Fahrzeug wird.
Credits: David von Becker
Ab in die Kreislaufwirtschaft: Hybrid Catalogue House
Manche Visionen für die Zukunft der Mobilität wirken auf den ersten Blick ziemlich radikal: Warum sollten Menschen zum Beispiel in Zukunft nur noch an einem einzigen Ort leben? Das Designkollektiv Refunc hat für das Futurium Lab eine Vision für hyper-mobiles Wohnen entwickelt, das fast keine Ressourcen benötigt: das Hybrid Catalogue House. Dieses Haus ist leicht zu transportieren und kann an jedem Ort aus lokalen Gegenständen und Materialien und mit lokalem Wissen aufgebaut werden. Und es kann genauso schnell wieder abgebaut werden. Denn es funktioniert nach dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft.
Hinter dem Begriff Kreislaufwirtschaft steckt die Idee, Dinge und Materialien so lange wie möglich zu verwenden, bevor sie zu Abfall werden. Das bedeutet auch, dass schon bei Konstruktion und Produktion die zukünftige Verwendung einzelner Materialien mitbedacht wird. Statt alle paar Jahre ein neues Auto zu kaufen und das alte verschrotten zu lassen, können alte Fahrzeuge in Zukunft so zu Materialdepots werden. Richtig konstruiert können Dinge viele Leben haben.
Mit dem Fahrrad die Stadt erforschen: SensorBike
Dass auch Citizen Science oder Bürgerwissenschaft eine wichtige Rolle bei der Zukunft der Mobilität spielen kann, zeigt das Projekt SensorBike des Start-Ups re:edu. In Kollaboration mit dem Futurium haben die Designer*innen und Wissenschaftler*innen von re:edu eine mobile Sensorbox für Fahrräder entwickelt. Berliner*innen bauen die Sensorbox in Workshops am Futurium zusammen, befestigen sie an ihren Fahrrädern, um damit beim Radeln wichtige Umwelt- und Verkehrsdaten zu sammeln. Diese Daten stellen sie dann anonymisiert der Öffentlichkeit über die Plattform openSenseMap zur Verfügung. Wissenschaftler*innen, aber auch alle Interessierten, können mit den Daten herausfinden, wie sicher die Straßen Berlins für Radfahrer*innen sind. Oder sie können sich inspirieren lassen selbst ein Citizen-Science-Projekt zu starten.
Urbane Intervention: Fahrende Mobilitätswerkstatt
Auch die Beteiligung möglichst vieler Menschen bei der Mobilität der Zukunft steht seit einiger Zeit im Fokus der Wissenschaft. Das geht zum Beispiel mit Zukunftswerkstätten, bei denen Bürger*innen ihre Ideen, Wünsche und Bedenken einbringen. Diese Formate haben eine lange Geschichte. Schon in den 1970ern entwickelte der Zukunftsforscher Robert Jungk Workshops, um mehr Menschen in die Diskussion über verschiedene Zukünfte einzubeziehen. Jungks Motto gilt auch heute noch: „Lasst uns Betroffene zu Beteiligten machen“.
Inspiriert von den Zukunftswerkstätten ist auch die Fahrende Mobilitätswerkstatt des Futuriums. Sie besteht aus zwei Lastenrädern, die das Kollektiv N55 und der Designer Till Wolfer speziell für das Futurium entwickelt haben. Eines der Räder steht im Futurium Lab, wo sich Besucher*innen Ideen anschauen können, die in der Werkstatt erarbeitet wurden. Das andere ist immer wieder in Berlin unterwegs. Wo die Werkstatt anhält, können Bürger*innen ihre Vorstellungen und Ideen für die Mobilität der Zukunft diskutieren.
Ob die Zukunft der Mobilität autofreie Städte oder Hyperloop-Züge bringt, ist offen. Dass sie anders sein wird, als wir sie uns heute vorstellen, ist fast sicher. Die Arbeit von Wissenschaftler*innen und Künstler*innen zeigt wie vielfältig unsere Möglichkeiten sind, und dass wir sie auf unterschiedlichste Weise mitgestalten können.