Grafik: Polygraph Design
Zwischennutzung
Städte wachsen weltweit. Das ist aber nur eine Seite der Medaille. Sie können auch an Industrien verlieren, an Bevölkerung schrumpfen, oder nur zäh mit geplanten Bauprojekten vorankommen. So kann Leerstand auch in sonst dicht besiedelten Gegenden entstehen. Vielerorts gehen Aktivist*innen oder auch Stadtverwaltungen selbst auf fantasievolle Art und Weise mit dem Leerstand um. Die Zauberformel heißt „Zwischennutzung“.
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Brachliegende Flächen oder leerstehende Gebäude werden für den befristeten, flexiblen und kostengünstigen Gebrauch bereitgestellt. Zwischennutzungen ermöglichen es zum Beispiel kleineren Projekten und Initiativen ihre Ideen zu verwirklichen. Während sie für die Eigentümer*innen eine Möglichkeit zur befristeten Beseitigung von Leerstand sind.
Projekte und Beispiele
HausHalten e. V., Leipzig
Wie in kaum einer anderen deutschen Stadt sind in Leipzig viele Häuser aus der Gründerzeit erhalten. Vieler dieser Altbauten standen bis vor Kurzem ganz oder teilweise leer und es drohte ihr Verfall. Zugleich besteht immer noch ein großes Interesse an kostengünstigen Räumlichkeiten für kreative Tätigkeiten. So gründete sich der Verein HausHalten e. V. mit dem Ziel, den möglichen Verfall anzugehen und Eigentümer*innen mit kreativen Nutzer*innen zusammenzuführen. Mittlerweile ist auch in Leipzig Wohnraum teuer geworden. Der Verein versucht jetzt leerstehende Häuser und Räume im Umland von Leipzig durch Zwischennutzung wiederzubeleben. Mehr Infos unter: http://www.haushalten.org/de/
Variante Bunker, Turin
Kunst, Sport, Gemeinschaftsgärtnern, Nachtclub: auf dem Gelände eines stillgelegten Bunkers in der italienischen Stadt Turin ist jede Menge los. Ein gemeinnütziger Verein begann vor fünf Jahren das verlassene, private Gelände zwischenzeitlich für Sport- und Freizeitaktivitäten zu erschließen. Bis die Stadtverwaltung ein größeres Infrastruktur-Projekt dort realisiert, überlässt der Eigentümer immer mehr Teile des Geländes an weitere gemeinnützige Organisationen. Die Macher*innen hoffen, dass sie in Zukunft nicht nur Monat für Monat, sondern längerfristig die vielfältig genutzte Fläche auch rechtlich für gemeinnützige Zwecke regeln können. Mehr Infos unter: http://www.variantebunker.com/
Mercato Metropolitano, London
Auch in einer Weltstadt wie London stehen Bürogebäude oder Gewerbegrundstücke länger leer – trotz vorhandene Baugenehmigungen für Shops, Wohnungen oder Büros. In der innerstädtischen Gegend „Elephant and Castle“ ist zum Beispiel deshalb seit wenigen Jahren der Mercato Metropolitano in einer stillgelegten Papierfabrik untergebracht – solange die Baugenehmigung für einen neuen Wohnkomplex noch aussteht. Mit eigenem Gemüsegarten, Kochschule, Popup-Kino und Gourmet-Imbissständen hat sich der Ort zwischenzeitlich zu einem der lebhaftesten Streetfood-Märkte Londons entwickelt. Der Bezirk überlegt jetzt für den Markt einen permanenten Standort zu finden. Mehr Infos unter: https://www.mercatometropolitano.com/
WePark, San Francisco
Den Straßenparkplatz am Tag in ein Büro umwandeln. Das passierte im April 2019 in San Francisco. Der freiberufliche Programmierer Victor Pontis konnte sich die monatliche Miete von 400 US Dollar für einen Co-Working Space (ein gemieteter Arbeitsplatz für Freiberufler*innen) neben den schon hohen Lebenskosten nicht mehr leisten. So „besetzte“ er mit einigen Gleichgesinnten mit Klapptischen, Stühlen und Laptops einen leeren Straßenparkplatz und zahlte die Parkgebühr von 2,25 US Dollar die Stunde. Die Aktion „WePark“ fand viel Anklang auf Twitter, auch von Betroffenen aus anderen Städten. In Zukunft könnten sich die „Parkplatz-Arbeiter*innen“ mit Cafés vor Ort zusammentun und Zugang zu WLAN und Toiletten gegen regelmäßige Kaffeebestellungen tauschen. Ein Zeichen für eine Stadt, die Menschen statt Autos stärker in den Mittelpunkt stellt, ist damit auch gesetzt.
Der Parkplatz als Arbeitsplatz.
Foto: Victor Pontis