Denkraum Mensch

Wie nehmen wir Beschleunigung wahr?

Unser Leben wird immer schneller. Zumindest fühlt es sich für viele Menschen so an. Die deutsche Soziologin Nadine Schöneck hat diese Entwicklung untersucht.


Unterwegs einen Kaffee kaufen, ins Büro hetzen, im Minutentakt Mails oder Chat-Nachrichten checken, nach Feierabend noch zum Sport, dann ab nach Hause und sich um die Familie oder den Haushalt kümmern: Das Tempo nimmt in vielen Lebensbereichen immer mehr zu. Die Forscherin Nadine Schöneck hat untersucht, wie unterschiedlich wir mit der Beschleunigung auf der Arbeit und im Alltag umgehen.

Typ 1: Der reflektierende Zeitgestresste

Beruf: Typ 1 ist viel beschäftigt, beruflich engagiert und häufig sehr erfolgreich. Er arbeitet bis zu 60 Stunden in der Woche – oder sogar noch mehr. Sein Job diktiert, wie er sich seine Zeit aufteilt.

Privatleben: Beruf und Privatleben sind bei ihm nicht getrennt, beides geht fließend ineinander über. Alles unter einen Hut zu bringen, gibt ihm das Gefühl, von der Zeit getrieben zu sein.

Zeiterleben: Regelmäßig leidet er unter Zeitnot, versucht alles zu bewältigen. Deshalb ist er oft auf das Hier und Jetzt fokussiert. Doch sein Blick reicht auch über den Moment hinaus: Er richtet sein gegenwärtiges Handeln vor allem an der Zukunft aus und daran, welche Konsequenzen dies mit sich bringen könnte. Er ist in der Lage, über seine Zeitsituation und Zeit zu reflektieren.

Typischer Satz: "Kein Problem, das krieg' ich schon irgendwie hin."

Beschleunigungs-Level: Sehr hoch

Typ 2: Der egozentrische Zeitsensible

Beruf: Typ 2 ist ebenfalls sehr beschäftigt: Er hat einen Job, den er sehr schätzt und in dem er voll aufgeht.

Privatleben: Doch Arbeit ist nicht alles. Er ist stark in sein soziales Umfeld eingespannt. Seine Zeit wird zudem durch ein Hobby beansprucht, das er gern und intensiv ausübt.

Zeiterleben: Je älter er wird, desto mehr sorgt er sich, nicht mehr genug Zeit zu haben. Er teilt sie sich deswegen umso genauer ein, versucht die ihm verbleibende Zeit optimal auszuschöpfen - deshalb wirkt seine Zeiteinteilung oft sehr Ich konzentriert.

Typischer Satz: "Da bin ich schon verplant."

Beschleunigungs-Level: Hoch

Typ 3: Der zufriedene Zeitstrategielose

Beruf: Typ 3 ist sehr engagiert in seinem Job und geht häufig in seiner Tätigkeit auf. Er arbeitet eher in einem Beruf, der projektbezogen ausgeübt wird – zum Beispiel ist er in wechselnden Betrieben für einen begrenzten Zeitraum tätig.

Privatleben: Er ist großzügig mit seiner Zeit gegenüber Freunden und Familie. Ausgeprägten Interessen oder Freizeitbeschäftigungen, die viel Zeit in Anspruch nehmen, geht er nicht nach.

Zeiterleben: Zeit ist aus seiner Perspektive immer genug für alles vorhanden. Er plant kaum, ist gern spontan, verliert dabei gelegentlich den Überblick über seine Zeiteinteilung. Das Hier und Jetzt ist für ihn am wichtigsten.

Typischer Satz: "Warum eigentlich nicht? Bin gleich da!"

Beschleunigungs-Level: Mittel

Typ 4: Der robuste Zeitpragmatiker

Beruf: Typ 4 hat einen fordernden Beruf, in den er viel Zeit investiert.

Privatleben: Häufig hat er eine Familie mit Kindern, um die er sich kümmert. Er betreibt mindestens ein Hobby, dem er gern und regelmäßig nachgeht.

Zeiterleben: Selbst würde er sich als „sehr beschäftigt“ charakterisieren, aber er lässt sich davon nicht unterkriegen. Bei seiner Zeitplanung geht er sehr pragmatisch vor: Er trennt Beruf und Privatleben strikt, passt die Zeit seinen Bedürfnissen an, nutzt jede freie Minute und ist generell sehr tatkräftig. Er ist stark auf das Hier und Jetzt ausgerichtet, kümmert sich weniger um Zukunft oder Vergangenheit – und fühlt sich durch sein Vorgehen trotz seiner vielen Verpflichtungen und Interessen kaum getrieben, ist ausgeglichen.

Typischer Satz: "Passt schon."

Beschleunigungs-Level: Niedrig