Nano-Zellulose dient als Basis für neuartige Implantate. Foto: Empa

Alternativen aus nachhaltigen Materialien

Plastik & Co. aus der Natur

Ob Bioplastik aus Bäumen oder Leder aus Äpfeln: Forscher*innen und Unternehmer*innen arbeiten daran, nachhaltige Materialien aus Rohstoffen herzustellen, die in der Natur wachsen.

Einige Beispiele dafür findest Du hier:

Nano-Zellulose dient als Basis für neuartige Implantate. Foto: Empa

Zellulose-Nanokristalle: Implantate aus der Natur

Pflanzen stellen diesen Stoff schon seit Millionen von Jahren in ihren Zellwänden her: Zellulose. Aber auch in Algen, Pilzen oder Bakterien ist der Hauptbestandteil von Holz zu finden. Wofür wir ihn nutzen können: als Energiequelle, als Baumaterial oder um Bekleidung herzustellen. Wissenschaftler*innen haben aus der Zellulose winzige Strukturen isoliert, sogenannte Nanokristalle. Sie sind im Verhältnis zu ihrem Gewicht etwa achtmal so zugfest wie Edelstahl und etwa so biegesteif wie Glasfaser. Da die Kristalle zudem elektrisch leitfähig sind, arbeiten Forscher*innen auch daran, sie in der Elektronik einzusetzen. Gemeinsam mit der Harvard University hat die ETH Zürich beispielsweise 2017 aus den Zellulose-Nanokristallen eine umweltfreundliche Tinte für den 3-D-Drucker entwickelt. Denkbar ist ihr Einsatz bei der Herstellung von Prothesen und Implantaten oder in der Autoindustrie.[1][2][3][4]

Künstliches Perlmutt: Widerstandsfähiges Material

Es schillert in den schönsten Farben: Perlmutt, die innerste Schicht von Muscheln oder Schnecken sieht nicht nur ästhetisch aus, sondern ist sehr stabil. Sie ist aus Mini-Kalkplättchen aufgebaut, die aufeinander liegen und durch organische Materialien zusammengehalten werden. Wissenschaftler*innen der Universität Konstanz und der University of Science and Technology of China (Hefei, China) ist es 2016 erstmals gelungen, die natürliche Perlmuttstruktur künstlich nachzubilden. Sie nutzten dafür dieselben Komponenten wie sie in der Natur vorkommen: Kalk, Chitin und Seidengel. Die Chemiker*innen kreierten mit ihrem neuen Verfahren ein Biomineral, dessen Eigenschaften fast identisch mit dem natürlichen Perlmutt sind: hart und bruchfest.[5]

Die Hose aus dem Meer

Zellulose und Braunalgen sind die ungewöhnlichen Zutaten für Bekleidung aus dem Material SeaCell, das die thüringische Firma smartfiber entwickelt hat. Für das Material werden Wasserpflanzen in isländischen Fjorden geerntet, dabei wird nur alle vier Jahre ein bestimmter Teil der Algen entfernt, sodass sie erneut austreiben können. Anschließend werden die Algen getrocknet, gemahlen und mit Zellulosefasern aus nachhaltig angebautem Holz verbunden. Das Material ist kohlenstoffneutral und komplett biologisch abbaubar.[6][7] Es handelt sich um ein geschlossenes Verfahren, bei dem keine Chemikalien als Abfall entsorgt werden müssen. Aus SeaCell wird unter anderem Sport- und Freizeitbekleidung hergestellt und vertrieben.

Vegane Lederalternative: Nachhaltige Taschen aus Apfeltrester

Äpfel sind nicht nur lecker, sie sind auch eine nachhaltige Alternative zu Leder. Das Südtiroler Familienunternehmen Frumat hat deshalb „AppleSkin" entwickelt. Das vegane Material wurde aus den Resten der Apfelsaftproduktion entwickelt. Kerne und Schalen werden dafür zunächst getrocknet und pulverisiert. Das Pulver wird anschließend mit einem Bindemittel gemischt und auf ein Textil aufgetragen, dann kommt das Ganze in einen Ofen und wird „ausgebacken“. So wird es widerstandsfähig und wetterbeständig. AppleSkin erhält dann eine Prägung, sodass es eine lederähnliche oder eine andere individuell gewünschte Struktur bekommt. Aus dem veganen Material werden beispielsweise Schuhe, Taschen, Möbel oder Bucheinbände gestellt, die recycelbar sind. Biologisch abbaubar ist es bislang noch nicht.[8]

Bioplastik ist nicht gleich Bioplastik

Ein großer Schwerpunkt in der Entwicklung nachhaltiger Materialien liegt auf Kunststoffen, die aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden und biologisch abbaubar sind. Meist wird Kunststoff aus fossilen Rohstoffen wie Erdöl produziert. Mittlerweile gibt es jedoch viele Ideen und Alternativen, das flexible und haltbare Material aus nachwachsenden Stoffen herzustellen. Biokunststoffe können zum Beispiel auf Algen, Orangenschalen Piniennadeln, Mais, Weizen oder auf biologischen Abfällen und Eiweißen basieren. Es gibt sogar ein Material, das aus den Schalen von Garnelen und Krebsen sowie einem Seidenprotein hergestellt wird.

Bioplastik ist jedoch nicht gleich Bioplastik. Expert*innen unterscheiden drei Varianten. Erstens: biologische, nicht abbaubare Kunststoffe, die zu einem Teil aus nachwachsenden Rohstoffen, aber auch aus Erdöl bestehen. Zweitens: Plastik aus Erdöl, das durch Zusatzstoffe biologisch abbaubar gemacht wird. Drittens: Kunststoffe, die komplett aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen und biologisch abbaubar sind. Nur die dritte Kategorie gilt laut Umweltbundesamt als wirklich nachhaltig. Bisher werden Biokunststoffe meistens auf der Basis von Stärke hergestellt (ihr Anteil am Gesamtmarkt der Biokunststoffe beträgt 80 Prozent)[9], die ein Bestandteil von Pflanzen wie Mais ist. Wird beim Biokunststoff kein Erdöl verbraucht, wird auch kein fossiles CO₂ frei, falls der Kunststoff bei der Abfallentsorgung verbrannt wird.

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Wie umweltfreundlich ist Bioplastik?

Das Material für Kunststoff & Co. vom Acker oder aus dem Meer zu holen, zum Beispiel durch die Nutzung von Algen, scheint eine mögliche Zukunft zu sein. Es gibt jedoch auch kritische Stimmen. An der Universität Bonn untersuchten Wissenschaftler*innen beispielsweise, wie umwelt- und klimafreundlich Bioplastik tatsächlich ist.[10] In ihrer Studie haben sie simuliert, was passieren könnte, wenn künftig mehr Bioplastik produziert wird. „Die Erzeugung großer Mengen Bioplastik verändert die Landnutzung“, sagt Neus Escobar vom Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik von der Universität Bonn.[11] „Global gesehen könnten beispielsweise vermehrt Waldflächen zu Ackerland umgewandelt werden. Wälder binden aber erheblich mehr Kohlendioxid als etwa Mais oder Zuckerrohr, schon allein aufgrund ihrer größeren Biomasse.“ Ein solcher Effekt sei bereits bei Biokraftstoffen beobachtet worden, für deren Erzeugung Wälder gerodet wurden.[12]

„Eine vermehrte Verwendung von Bioplastik aus angebauten Nutzpflanzen scheint keine effiziente Strategie zu sein, das Klima zu schonen“, so Escobar. Die Umstellung auf Bioplastik führe zudem zu steigenden Nahrungsmittelpreisen, da Landwirtschaftsflächen knapper würden.[13] Anders könne die Bilanz vermutlich aussehen, wenn für die Bioplastikproduktion beispielsweise Pflanzenabfälle verwendet würden, so Escobar. Es sei daher empfehlenswert, die Forschung auf dieses Bioplastik zu konzentrieren und entsprechende Verfahren zur Marktreife zu bringen.[14][15]

Nachwachsende Rohstoffe einzusetzen, kann jedoch nicht nur Flächenkonkurrenz bedeuten, sondern auch zur wirtschaftlichen Belastung für Unternehmen werden – beispielsweise, wenn die umweltfreundlichen Materialien teurer sind als andere Stoffe. Expert*innen sprechen von einem Trade-off, einem Zielkonflikt zwischen Nachhaltigkeit und Rendite. Kritisiert werden zudem sogenannte Rebound-Effekte: Durch den Einsatz nachwachsender Rohstoffe in der Kunststoffproduktion können zum Beispiel die Preise für erdölbasiertes Plastik sinken – und dadurch einen steigenden Verbrauch des fossilen Energieträgers bewirken. Der Verbrauch des Biokunststoffs selbst kann zudem steigen, weil Verbraucher*innen immer mehr „grünes Plastik" kaufen – dank des positiven Images – und damit letztendlich auch der Umwelt schaden.

Quellen und Literaturangaben

[1] https://www.dzw.de/biomedizin-implantate-aus-nanozellulose
[2] https://www.cup.uni-muenchen.de/archive/cicum/tutor/cellulose/index.html
[3] https://www.nanopartikel.info/nanoinfo/materialien/cellulose/materialinfo-cellulose
[4] https://www.heise.de/tr/artikel/Starker-Pudding-1868567.html; https://www.academia.edu/14231841/Nanocellulosen_eine_neue_Familie_naturbasierter_Materialien
[5] https://www.uni-konstanz.de/es/universitaet/aktuelles-und-medien/aktuelle-meldungen/aktuelles/aktuelles/Natuerliche-Perlmuttstruktur-kuenstlich-hergestellt-2529/
[6] https://cdn.industriepreis.de/f/2513f674fedd9777/industriepreis/2015/11301/10875/28415/bea41c1b949ddb068513c07855282ed9.pdf
[7] https://www.smartfiber.de/fasern/seacelltm/
[8] Hannes Parth, frumat GmbH, Telefonat mit fA, 14.1.2019
[9] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/3834.pdf
[10] https://www.uni-bonn.de/neues/329-2018
[11] https://www.uni-bonn.de/neues/329-2018
[12] https://www.uni-bonn.de/neues/329-2018
[13] https://www.uni-bonn.de/neues/329-2018
[14] https://www.ingenieur.de/technik/fachbereiche/umwelt/umstellung-auf-bioplastik-klimaschaedlich/
[15] https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/aaeafb