Diese Baustoffe können mehr

Smarter bauen mit Hightech-Materialien

Die Weltbevölkerung wächst – und mit ihr der Bedarf an Wohnraum. Der weltweite Boom der Baubranche[1] verbraucht mehr und mehr Ressourcen und belastet die Umwelt. Leistungsfähige und umweltfreundliche Materialien könnten das in Zukunft ändern. Wir stellen einige davon vor.

Polymerbeton: Steine aus Wüstensand

Laut Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) ist Sand nach Wasser die zweitgrößte geförderte und gehandelte Ressource weltweit. Mit negativen Folgen für die Umwelt: Wird der Sand entlang von Küsten und Flusslandschaften abgetragen, kommt es beispielsweise verstärkt zu Auswaschungen von Sedimenten, wodurch Flüsse schneller fließen und Strände weggeschwemmt werden. Zudem werden Ufer durch die Sandgewinnung instabil und verlieren damit langfristig ihre Schutzfunktion: Die zunehmenden Überschwemmungen der angrenzenden Landflächen gefährden den Lebensraum vieler Tiere. [2]

Polymerbeton könnte in Zukunft dabei helfen, die Flusssandbestände zu schonen, die derzeit vor allem im Beton verarbeitet werden. Anders als bei herkömmlichem Beton hält bei diesem Baustoff nicht Zement, sondern ein Kunststoff (Polymer) die Gesteinskörner – Kies oder Sand – im Beton zusammen. Und lässt die Füllstoffe so gut haften, dass auch bisher nicht nutzbare Sandarten in der Betonherstellung zum Einsatz kommen können.

Die Polymerbeton-Lösung der thüringischen Firma PolyCare setzt beispielsweise auf Wüstensand als Füllstoff, der direkt vor Ort genutzt werden kann.[3] So entfallen dort lange Transportwege und die damit verbundenen CO2-Emissionen. Weitere Vorteile von Polymerbeton: Durch die Beimengung von Polyesterharzen ist er leichter als Zementbeton. Seine glatte, porenarme Oberfläche macht ihn zudem unempfindlicher gegenüber Witterung oder UV-Strahlung.[4] Und durch seine geringe Abbindezeit – die Zeitspanne, bis der Beton eine bestimmte Festigkeit erreicht – ist der Stoff schon nach kurzer Zeit belastbar. Auf diese Weise ermöglicht er den schnellen und günstigen Bau von Wohn- und Nutzräumen. Erste Polymerbeton-Häuser aus Wüstensand entstanden bereits in Namibia.[5] Derzeit erforschen die Entwickler*innen von PolyCare, wie die aus Erdöl gewonnenen Polysterharze durch nachhaltigere Stoffe ersetzt werden können.[6]

Selbstheilender Beton: Bakterien gegen Risse

Eine weitere zukunftweisende Entdeckung der Materialforschung ist selbstheilender Beton. Führend auf diesem Gebiet sind die Wissenschaftler*innen der Technischen Universität Delft in den Niederlanden. Das Prinzip: Kalkproduzierende Bakterien schließen selbstständig Lücken in Beton, verlängern so die Haltbarkeit von Bauten und machen teure Renovierungen überflüssig.[7]

Das funktioniert so: In die neuartige Betonmischung werden Bakterien mithilfe wenige Millimeter großer Tonpellets eingeschleust, in denen sich außerdem Stickstoff, Phosphor und Nährstoffe befinden. Dringt Wasser durch die Risse in den Beton ein, nehmen die Mikroorganismen die Nährstoffe auf und scheiden eine Art Kalkstein (Calciumcarbonat) aus.[8] Dieser Kalk füllt die entstandenen Risse im Beton. Derzeit beschäftigt die Forscher*innen, wie die optimalen Lebensbedingungen für die Bakterien aussehen. Zum Beispiel liegt ein besonderes Augenmerk darauf, den Mikroorganismen eine hohe Kalkproduktion in diesem „Bio-Beton“ zu ermöglichen.[9]

Vor allem bei großen Betonkonstruktionen lohnt sich der Einsatz des selbstheilenden Materials. Ein Praxisbeispiel ist ein Löschwasserbecken im Hafen von Rotterdam. Hersteller*innen geben an, dass die Bakterien Risse mit einer Breite von bis zu 0,8 Millimetern ausbessern können.[10]

Smart Wood als Baustoff der Zukunft

Als nachwachsender Rohstoff wird Holz immer attraktiver für die Baubranche. Ersetzt der nachhaltige Baustoff Stahl und Beton, so könnte das laut einer Studie[11] 14 bis 31 Prozent der globalen CO2-Emissionen einsparen. Verschiedene Lösungen sind in der Entwicklung, die Holz ganz neue Eigenschaften verleihen. Forscher*innen der Königlichen Technischen Hochschule Stockholm arbeiten beispielsweise im Projekt „WoodNano Tech“ daran, den Baustoff hauchdünn und nahezu durchsichtig zu machen.[12]

Um das Material herzustellen, entziehen die Wissenschaftler*innen dem Holz den Bestandteil Lignin, der die Zellstofffasern zusammenhält. Anschließend tränken sie das Material mit einem Kunststoff. Das neue Verfahren ermöglicht es, Holz mit zusätzlichen Eigenschaften wie Wärmeleitfähigkeit auszustatten: Fenster aus dem neuen Baustoff könnten tagsüber Wärme speichern, die sie nachts ins Hausinnere abstrahlen. Anders als Glas bricht das transparente Holz nicht und ist wetter- und feuerfest.[13]

Die schwedischen Forscher*innen arbeiten derzeit an verschiedenen Einsatzgebieten des transparenten Holzes. Auch für den Energiesektor wird der erneuerbare und kostengünstige Baustoff in Betracht gezogen, etwa für die Herstellung von Solarzellen.[14]

Quellen und Literaturangaben

[1]https://www.pwc.de/de/industri...
[2] https://unepgrid.ch/sand/
[3] https://poly-care.de/index.php/de/polycare-de
[4] https://www.baustoffwissen.de/...
[5] https://poly-care.de/index.php/de/polycare-de/warumpolycare-de
[6] https://www.sueddeutsche.de/wissen/baustoff-der-welt-geht-der-sand-aus-1.3588083-2
[7] https://www.tudelft.nl/en/ceg/...
[8] https://www.baustoffwissen.de/baustoffe/baustoffknowhow/grundstoffe-des-bauens/selbstheilender-beton-bakterien-gegen-risse-betonschaeden-hendrik-jonkers-tonpellets-bio-beton/
[9] https://www.tudelft.nl/en/technology-transfer/tech-investment/patents/selection-of-tu-delft-patent-portfolio/self-healing-concrete-materials-that-can-repair-itself/
[10] https://www.ais-online.de/m2/76/5153276/pdf/28/21375528px595x842.pdf
[11] https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/10549811.2013.839386#.UznEccdlbx5
[12] https://phys.org/news/2019-11-transparent-wood-material-future.html
[13] https://www.sueddeutsche.de/wissen/baumaterial-glas-aus-holz-1.4398164https://www.spektrum.de/news/durchsichtiges-holz-als-waermespeicher/1636858, https://www.spektrum.de/news/durchsichtiges-holz-als-waermespeicher/1636858
[14] https://cordis.europa.eu/project/id/742733