Denkraum Technik

Netto mehr Jobs?

Maschinen werden immer intelligenter: Sie können rechnen, schreiben, organisieren, sogar operieren – und übernehmen viele Jobs von den Menschen. Doch was bedeutet diese fortschreitende Digitalisierung für unseren Arbeitsmarkt?

Es war das Jahr 1946, als die Wissenschaftler John Eckert und John Mauchly einen der ersten Ur-Computer entwickelten [1]. Sie stellten ihn stolz der ganzen Welt vor – und die zeigte sich begeistert: Was dieses Ding konnte! Was damit alles möglich sein würde! Doch die Menschen hätten sich selbst in ihren kühnsten Träumen wohl nicht vorstellen können, zu was ein Computer tatsächlich in der Zukunft fähig sein würde.

Denn in den folgenden Jahrzehnten wurde die Technik immer ausgefeilter und die intelligenten Maschinen nahmen den Menschen immer mehr Arbeit ab. Sie rechneten nicht mehr nur, sie sortierten, sie schrieben, sie organisierten auch. Heutzutage werden bereits viele Tätigkeiten von Computern und Maschinen übernommen – und dies dürfte in Zukunft noch mehr werden.

Wie wirkt sich Digitalisierung auf unsere Arbeit aus?

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In der modernen Fahrzeugproduktion sind Roboter nicht mehr wegzudenken.

Foto: Steve Jurvetson. CC BY 2.0. https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/

Wieviel unserer Arbeit wird digitalisiert werden? Welche Jobs können die Maschinen übernehmen? Nehmen sie den Menschen dann die Arbeit weg? Machen sie uns arbeitslos? Oder lösen sie vielleicht einen Job-Boom aus? Mit diesen Fragen haben sich bereits viele Expert*innen beschäftigt – und sie sind zu unterschiedlichen Antworten gelangt.

Frey und Osborne: Maschinen vernichten Jobs

Lediglich Arbeiten, bei denen man speziell menschliche Eigenschaften und Fähigkeiten benötigt, sahen Frey und Osborne als nicht automatisierbar an. Dazu zählen Tätigkeiten, die Einfühlungsvermögen erfordern oder soziale sowie kreative Intelligenz voraussetzen. Andersherum galt für sie: Je weniger solche Eigenschaften nötig sind, desto höher die Wahrscheinlichkeit der Automatisierung.

Nach diesen Kriterien berechneten die beiden Ökonomen dann für 903 verschiedene Jobs aufgrund deren Standard-Berufsbeschreibungen, wie wahrscheinlich es ist, dass sie von einer Maschine übernommen werden könnten und kamen zu einem vernichtenden Ergebnis: 47 Prozent aller Jobs auf dem US-Arbeitsmarkt könnten von Computern übernommen werden – dadurch würde fast jeder zweite Arbeitsplatz wegfallen.[2] Da sie die gleichzeitige Entstehung neuer Jobs ausgeklammert hatten, wirkten ihre Statistiken umso besorgniserregender.

Deutsche Forscher*innen: Neue Arbeitsplätze dank Digitalisierung

Mit ihren Zahlen erregten Frey und Osborne 2013 viel Aufsehen – gepaart mit starkem Widerspruch. Die Volkswirt*innen des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim etwa wiesen 2015 darauf hin, dass viele Jobs nicht nur aus einer Handlung bestünden, sondern aus vielen verschiedenen. Nur ein Teil dieser diversen Tätigkeiten könne automatisiert werden.

Die Menschen wären dann in der Lage zusammen mit den Maschinen zu arbeiten, ihre Jobs anzupassen und weiterzuentwickeln – dadurch würden sich ihre Arbeitsplätze zwar verändern, aber nicht komplett wegfallen. Aufgrund dieser neuen Annahme berechneten die ZEW-Forscher*innen selbst noch einmal, wie viele Jobs durch die Automatisierung verschwinden würden.

Sie kamen zu gänzlich anderen Zahlen: Nur etwa 12 Prozent der deutschen Jobs, in den USA sogar nur neun Prozent der Arbeitsplätze seien wahrscheinlich von Automatisierung bedroht. Den Unterschied zwischen Deutschland und den USA erklären sie damit, dass in den USA mehr Jobs vorhanden seien, die ein hohes Maß an sozialer Intelligenz erforderten – und die könne eben nicht automatisiert werden.

„Kleine Nettoeffekte, große Struktureffekte“

In einer zweiten Studie aus dem Jahr 2017 befragten die ZEW-Forscher*innen mehr als 2000 Führungskräfte in Produktions- und Dienstleistungsbetrieben. Sie wollten von ihnen wissen, wie die Automatisierung in ihren jeweiligen Unternehmen voranschritt – und fanden heraus, dass tatsächlich manche Arbeitsplätze durch Maschinen ersetzt worden waren.

Allerdings hatten die Investitionen in Maschinen dafür gesorgt, dass die Nachfrage nach ihren Produkten und damit die Auftragslage anstieg – was wiederum zu mehr Beschäftigung als zuvor führte. Um jährlich 0,4 Prozent stieg diese an, damit gingen höhere Löhne und eine sinkende Arbeitslosenquote einher.[3]

Doch die Jobs, die durch die neue Technologie entstanden, waren andere. „Hinter den kleinen Nettoeffekten stehen große Struktureffekte“, schrieben die Forscher*innen, also: Selbst wenn die Anzahl der Arbeitsplätze anstieg, veränderte sich die Art dieser Arbeitsplätze – und damit auch die Menschen, die sie ausübten. Für die einzelnen Personen, die nun ihre Arbeit verloren, weil sie die neuerdings geforderte Arbeit nicht ausüben konnten, dürften die 0,4 Prozent zusätzlicher Jobs kein großer Trost sein.

IAB: Eine komplett digitalisierte Arbeitswelt

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Durch Automatisierung und Digitalisierung entstehen neue Jobs - gleichzeitig verschwinden einige alte.

Foto: Charles Deluvio/Unsplash

Auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die Macher*innen des Futuromats, beschäftigten sich mit der Digitalisierung und ihren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Die Instituts-Forscher*innen berücksichtigen in ihrer Studie die Erkenntnisse der Kolleg*innen. Sie behielten im Blick, dass Arbeitsplätze verschwinden und sich die Anforderungen innerhalb der Jobs verändern, aber auch, dass gänzlich neue Tätigkeiten und Produkte entstehen. Sie entwickelten ein Szenario, in dem Deutschlands Arbeitswelt vollständig digitalisiert ist.

Diese komplette Digitalisierung koste nur etwa 30 000 Arbeitsplätze. Zwar würden zusätzlich 1,5 Millionen Arbeitsplätze im Zuge dieser Veränderung verschwinden, insbesondere in Fabriken und anderen Produktionsbetrieben. Aber zugleich würden auch 1,5 Millionen neue Jobs entstehen, vor allem in den Branchen „Kommunikation und Information“ sowie „Erziehung und Unterricht“. Eine komplette Substitution, also die Ersetzung menschlicher Arbeit durch Computer gebe es nicht.

Ähnlich sahen es auch die britischen Expert*innen von PricewaterhouseCoopers (PwC): In einer Untersuchung vom Februar 2018 kamen sie zu dem Schluss, dass die Automatisierung zwar einen großen Einschnitt für den internationalen Jobmarkt bedeute und dass manche Arbeitsplätze dabei verloren gingen – doch zugleich würden viele neue Jobs entstehen. Insgesamt würde dies zu einem positiven Effekt auf die gesamte Wirtschaft führen.

Bedrohung oder Chance?

Ob die Forscher*innen damit richtig liegen, kann noch nicht beurteilt werden. Zwar hat die Digitalisierung schon begonnen und bereits Auswirkungen gezeigt: Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe, etwa im Metall- und Anlagenbau, sind weggefallen. Zugleich sind aber neue Jobs in den Bereichen IT und Naturwissenschaft, in den Medien, der Lehre oder der Gastronomie entstanden.

Sollte diese Entwicklung weiter gehen, wären die Freisetzungspessimist*innen wie Frey und Osborne – also diejenigen, die einen Wegfall von Jobs durch die Digitalisierung fürchten – im Unrecht. Die Kompensationsoptimist*innen wie die ZEW- oder IAB-Forscher*innen – die an einen direkten Ersatz der wegfallenden Jobs glauben – würden Recht behalten.

Die Digitalisierung wäre also keine Bedrohung – sondern eine große Chance.

Literaturangaben und Quellen

Frey, Carl Benedikt; Osborne, Michael (2013): The Future of Employment: How Susceptible are Jobs to Computerization?, Oxford Martin School (OMS) working paper, University of Oxford, Oxford.

Bonin, Holger; Gregory, Terry; Zierahn, Ulrich (2015): Übertragung der Studie von Frey/Osborne (2013) auf Deutschland, ZEW Expertises, ZEW - Leibniz Centre for European Economic Research, Volume 57, Nummer 123310.

Wolter, M. et al. (2016): Wirtschaft 4.0 und die Folgen für Arbeitsmarkt und Ökonomie, IAB-Forschungsbericht 13/2016, IAB, Nürnberg.

[1] „Rechnen mit Röhren“, Tagesspiegel, 9.5.2016: https://www.tagesspiegel.de/wissen/digitale-pioniere-71-john-mauchly-und-john-presper-eckert-rechnen-mit-roehren/13561624.html
[2] „Das Reich der Freiheit…“, Brand Eins, 2014: https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2014/arbeit/das-reich-der-freiheit
[3] „Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit: Makroökonomische Auswirkungen auf Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und Löhne von morgen“, Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung GmbH, 2018: https://www.econstor.eu/bitstream/10419/179119/1/1023005018.pdf