Denkraum Technik

Kann man davon wirklich leben?

Alle reden von den digitalen Nomad*innen und Clickworker*innen. Doch was sagen sie selber? Vier von ihnen erzählen, was genau sie eigentlich machen, wo und wie sie arbeiten - und ob sie davon reich werden.

"Dieses Leben funktioniert nicht für alle"

Ich wollte nie einen Bürojob wie alle machen – was genau ich stattdessen machen wollte, wusste ich allerdings auch nicht. Den Begriff des „digitalen Nomaden“ gab es damals noch nicht. Aber ich wollte etwas tun, bei dem ich mich nicht jeden Tag widerwillig ins Büro schleppen müsste. Als ich meiner Familie davon erzählte, war die nicht allzu begeistert: Ich solle doch erst mal etwas Sicheres machen, eine Lehre, ein Studium.

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Timo Eckardt, 28 Jahre, digitaler Nomade

Ich habe mich, auch ihnen zuliebe, tatsächlich an der Uni eingeschrieben, habe dort BWL und Soziologie studiert. Aber nach dem Studienabschluss habe ich dann direkt so frei und selbstständig gearbeitet, wie ich mir das vorgestellt hatte: Ich habe – gemeinsam mit einem Kollegen – einen „Podcast für Digitale Nomaden“ ins Leben gerufen. Der kommt gut an. Wir haben etwa drei Millionen Downloads bisher.

Wir bieten auch ein Starter-Paket mit verschiedenen Coachings für angehende digitale Nomaden an. Damit sind wir sehr erfolgreich: Wir machen einen sechsstelligen Umsatz im Jahr. Ich kann also mittlerweile von alldem leben und arbeite von überall aus. In den letzten Monaten vor allem in Hamburg, Malaysia, Polen und Lettland. Es ist ein tolles Gefühl, so viel reisen und von überall arbeiten zu können. Ich bin damit glücklich.

Aber so toll das alles auch sein mag, natürlich gibt es auch Nachteile: Man ist immer auf sich allein gestellt. Man arbeitet auf eigenes Risiko, hat keine Absicherung, muss selber komplett die Verantwortung tragen, sehr strukturiert sein und für alle möglichen Szenarien vorsorgen, etwa wenn ein Kunde spät zahlt oder man krank wird. Manche Kollegen scheitern daran – dieses Leben funktioniert nicht für alle.

Dennoch glaube ich, dass es in den nächsten Jahren immer mehr digitale Nomaden geben wird. Das dürfte auch an sozialen Medien liegen, die digitales Nomadenleben sehr glamourös darstellen: Mit dem Laptop in der Hand in einer Hängematte am Meer, im Hintergrund ein paar Palmen – wer es dann aber wirklich versucht, merkt schnell, dass dies nur ein oberflächliches Bild ist und da viel, viel mehr dahinter steckt.

"Momentan passt dieser Lebensstil für mich perfekt"

Ich habe lange in ganz normalen Jobs gearbeitet – als Software-Tester und als Projektleitungs-Assistent in einer Webagentur. In der Agentur war ich sogar recht lange, vier Jahre insgesamt. Im August 2016 habe ich dann einen Vortrag über die Kombination von Arbeit und Reisen gehört. Den fand ich enorm interessant – und ich habe darüber nachgedacht, das auch zu versuchen: Reisen und Arbeiten.

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Michael Hörnlimann, 28 Jahre, digitaler Nomade

Ich habe mit vielen darüber geredet, aber die waren skeptisch: Sie fragten „Bist Du Dir wirklich sicher?“ oder „Was, wenn es nicht klappt?“. Darauf habe ich geantwortet, dass ich dies nur herausfinden kann, wenn ich es versuche. Ich habe dann wirklich gekündigt – und hatte endlich das Gefühl, frei zu sein. Ähnlich wie der Hamster, der sein Rad verlässt und sich überlegt, was es denn sonst noch zu entdecken gibt.

Seit April 2018 bin ich nun selbstständig im Haupterwerb. Ich kann selber bestimmen, wann, wo und wie ich arbeite. Die einzige Voraussetzung ist natürlich, dass ich eine stabile und schnelle WLAN-Verbindung in Anspruch nehmen kann. Ich war seitdem viel im Ausland unterwegs, unter anderem in Argentinien sowie Neuseeland, und habe dort jeweils unterwegs gearbeitet.

Meine Kunden sind Privatpersonen oder kleinere sowie mittlere Unternehmen. Ich kann gut davon leben. Einerseits habe ich weniger zur Verfügung als vorher, gebe aber auch weniger aus als bei meiner Anstellung. Zudem halte ich meine Fixkosten jeweils so tief wie möglich. Und ich bin glücklich damit: Momentan passt dieser Lebensstil für mich perfekt. Ich mache mir keine Gedanken ums Aufhören.

Ich bin mit diesem Lebensstil nicht allein; tendenziell gibt es mehr digitale Nomaden. Die Zunahme ist aus meiner Sicht aber gering. Meine Erfahrung zeigt, dass es in den USA schneller geht, bis sich jemand für das ortsunabhängige Arbeiten entscheidet als in Europa (besonders Deutschland, Schweiz und Österreich). Das Sicherheitsbedürfnis ist hier einfach sehr hoch.

Dennoch gehe ich davon aus, dass das Arbeiten von unterwegs noch normaler werden wird, als es heute bereits ist. Das Arbeiten von zu Hause sowie in Cafés wird weiter zunehmen. Viele Firmen, unabhängig ob groß oder klein, werden sich sehr wahrscheinlich global verteilen, um so die besten Arbeitskräfte auf dem jeweiligen Gebiet finden zu können.

"Eine sehr schwere Art, sein Geld zu verdienen"

"Ich habe meine Mutter zehn Jahre lang zu Hause gepflegt, bis zu ihrem Tod – danach habe ich für meinen Vater als bei ihm angestellte Haushaltshilfe gearbeitet. Er ist 2019 verstorben. Ich bin schon seit Längerem krank geschrieben, erhalte ein Krankengeld von etwas über 300 Euro. Von diesem Betrag allein kann ich natürlich nicht leben."

Michaela nick

Michaela Nick, 47 Jahre, Clickworkerin

Deswegen verdiene ich mir als Clickworkerin noch ein bisschen Geld dazu. Ich habe damit angefangen, weil ich nach „Geld verdienen“ im Internet gesucht hatte und da sind mir mehrere Clickworking-Plattformen angezeigt worden. Ich habe mich auf allen angemeldet, hatte direkt den ersten Job: Ich sollte Adressen von Webseiten in eine Tabelle übertragen. Dafür gab es pro Adresse 0,05 Cent.

Danach kamen ganz viele verschiedene Arbeiten: Ich habe bei Umfragen mitgemacht, an Multiple Choice-Tests teilgenommen, all sowas. Bekommen habe ich für diese Arbeiten zwischen 0,02 Cent und 15 Euro – aber die hoch bezahlten Aufträge sind leider sehr selten und dann auch immer schnell vergeben. Deswegen geht es eigentlich fast immer nur um sehr kleine Nachkomma-Cent-Beträge.

Mittlerweile arbeite ich jeden Tag etwa sechs Stunden als Clickworkerin, aber nicht fest von 10 bis 16 Uhr, sondern immer dann, wann es mir passt. Ich mag es sehr, dass ich mir das so frei einteilen kann. Es gab schon Jobs, die habe ich von vier bis sechs Uhr morgens erledigt. Auch am Wochenende komme ich auf meine täglichen sechs Stunden – aber generell werden am Samstag und Sonntag eher wenige Jobs angeboten, die meisten gibt es unter der Woche.

Im Monat komme ich so auf etwa 180 Clickworking-Arbeitsstunden, vielleicht sogar ein paar mehr, und auf einen Verdienst von rund 150 Euro. Das ist – auf den Stundenlohn umgerechnet – natürlich ziemlich gering. Zudem bin ich nicht sozialversichert, ich habe keine Sicherheit, kann mich nicht oder nur sehr schwer wehren – einmal wurde mir kein Geld gutgeschrieben, obwohl ich den Job erledigt hatte.

Es ist, wenn ich ehrlich bin, eine sehr schwere Art, sein Geld zu verdienen. Aber ich mache den Job trotzdem weiter, weil ich auf das Geld nicht verzichten kann. 150 Euro sind sehr viel für mich und machen einen echten Unterschied. Aber wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann würde ich gern mit dem Clickworking aufhören und einen normalen Job anfangen – vielleicht als Pflegerin oder Gesellschafterin für eine alte Dame.

"Ein netter Nebenjob, um das Gehalt aufzubessern"

"Ich bin gelernte Wirtschaftsassistentin, Fachrichtung Fremdsprachen. Da ich mit meiner schulischen Ausbildung aber nirgendwo Fuß fassen konnte, bin ich in dem Albtraum eines jeden Arbeitsuchenden gelandet – einem Callcenter: Zunächst in der technischen Support Hotline, später dann im Beschwerdemanagement. 2015 habe ich es dann nicht mehr ausgehalten und mich als Webtexterin selbstständig gemacht."

Alexis Gentzsch

Alexis Gentzsch, 36, Clickworkerin

Ich habe mich auf dem wohl bekanntesten Texterportal angemeldet. Das ging recht einfach und man konnte quasi direkt loslegen, nachdem der Probetext akzeptiert wurde. Die Aufträge waren nach Kategorien und Anforderungen an den Texter unterteilt. Damals habe ich auch zum ersten Mal vom Clickworking gehört und dachte mir: Das ist eine fantastische Möglichkeit für den Einstieg, um mir noch ein paar mehr Euros dazuzuverdienen.

Während ich also Webtexte geschrieben habe, habe ich nebenher auch noch Clickworking-Aufträge angenommen: Mein allererster Clickworker-Auftrag war eine kleine Google-Suche. Dabei sollte man nach Begriffen suchen und eintragen, was als Erstes angezeigt wird. Danach habe ich mich an Produktbeschreibungen herangewagt und an solche Dinge wie Tonaufnahmen abtippen oder selber Sprachaufnahmen für eine KI zu machen.

Mittlerweile nehme ich immer noch Clickworking-Aufträge an, aber deren Anzahl variiert stark. Manchmal mache ich 20 Aufträge im Monat, manchmal nur zwei bis drei. Wieviel ich verdiene, hängt vom Auftraggeber ab. Ich mag die simplen Umfragen, für die gibt es einen Euro pro Stück. Auch Unternehmensbeschreibungen sind leicht zu tippen, da gibt es pro Stück drei Euro für 160 Worte. Für 220 Worte gibt es schon neun Euro.

Die gut bezahlten Aufträge sind aber leider sehr stark in der Minderheit. Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass 80 Prozent der Texterstellungsaufträge fast schon an Ausbeutung grenzen – auch Aufträge, bei denen man ein Video von sich machen soll und dafür gerade mal mit ein paar Cent entlohnt wird, empfinde ich als Unverschämtheit. Ist man nicht bereit, sich die Finger wund zu tippen oder zu klicken, kann das Clickworken niemals Verdienstgrundlage sein.

Es ist eher ein netter Nebenjob, um das Gehalt aufzubessern. Und wenn man das Clickworking als solchen sieht, dann hat es auch echte Vorteile: Man bekommt schnelles Geld, kann von zu Hause arbeiten, sich die Zeit frei einteilen und selber entscheiden, wie viel man machen möchte. Daher glaube ich auch, dass es in Zukunft noch mehr Clickworker geben wird. Insbesondere dann, wenn die Aufträge irgendwann mal wenigstens ein bisschen besser entlohnt werden würden.