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Wie Wissenschaftler*innen das Altern aufhalten wollen

Für immer jung?

Viele Menschen wünschen sich, möglichst lange jung zu bleiben. Ein Rezept für die ewige Jugend wäre wohl ein Verkaufsschlager. Wir stellen Wissenschaftler*innen vor, die das Altern verzögern möchten.

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Elizabeth H. Blackburn: Schutzkappen für das Erbgut

Gesund alt werden – leichter klappt das, wenn die Schutzkappen am Ende des Erbgutstrangs, die sogenannten Telomere, intakt sind. Diese These bewies die Molekularbiologin Elizabeth H. Blackburn, die gemeinsam mit Jack W. Szostak und Carol W. Greider 2009 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin erhielt. Schon 1985 entdeckte die gebürtige Australierin gemeinsam mit der Wissenschaftlerin Carol W. Greider die Telomerase: ein körpereigenes Enzym, das die Telomere schützt. Ihr Fund schuf die Grundlage für weitere Forschungen zu Themen wie Altern und Krebs. [1]

Telomere bestehen aus bestimmten, sich wiederholenden DNA-Abschnitten und Eiweißen. Sie legen sich schützend um die Enden der menschlichen Chromosomen – vergleichbar mit den Plastikhülsen am Ende von Schnürsenkeln. Bei der Zellteilung nimmt die Länge der Telomere in den Köperzellen mit dem Alter ab – außer bei sich stetig teilenden Zellen wie Stammzellen oder den Zellen der Keimbahn. Hier sorgt das Enzym Telomerase dafür, dass die Telomere bei der Zellteilung wieder vollständig aufgebaut werden.

Ein gesünderes Leben „pflegt“ die Telomere: Wie schnell sich in den Körperzellen die Länge der Telomere verkürzt, bestimmen unter anderem die Gene, aber auch Umwelteinflüsse, wie zum Beispiel die Ernährung. Der Therapieansatz von Blackburn und ihren Kolleg*innen: Wer gesund lebt, beispielsweise Rauchen oder chronischen Stress vermeidet, kann seine Telomere „pflegen“ – und dafür sorgen, dass sie sich langsamer verkürzen. Denn kurze Telomere, so belegen ihre Forschungen, können zur Bildung von sogenannten seneszenten Zellen führen. Diese Zellen verlieren ihre normale Funktion und sind eine Ursache für eine Vielzahl von altersbedingten Erkrankungen.

Warum verkürzen sich die Telomere überhaupt? Die Abnahme ist ein Schutzmechanismus gegen Krebs, denn Zellen mit kurzen Telomeren können sich nicht mehr teilen. Krebszellen aktivieren allerdings das Enzym Telomerase, so können sie sich unkontrolliert vermehren. Die Doppelfunktion des Enzyms Telomerase, das sowohl Krebs fördern als auch Alterungsprozesse aufhalten kann, hat bisher eine Anwendung in der Anti-Aging-Therapie verhindert. Doch die Forschungen, für die Elizabeth H. Blackburn die Grundlagen lieferte, gehen weiter.

Cynthia Kenyon: Langlebigkeitsgene im Fokus

daf-2 – so heißt eines der Gene, das sich auf die Lebensdauer auswirken kann: Wird es verändert oder ausgeschaltet, geht der Körper auf Sparbetrieb. Statt ums Wachsen dreht sich dann alles um den Erhalt der Zellen – und die Lebensspanne verlängert sich. Beim Fadenwurm Caenorhabditis elegans kann ein Ausfall des daf-2 Gens sie damit sogar verdoppeln. [2]

Mit dieser bahnbrechenden Entdeckung sorgte die US-amerikanische Molekularbiologin Cynthia Kenyon 1993 für Aufsehen. Besonders interessant an dieser Entdeckung: Die lebensverlängernde Wirkung einer Mutation im daf-2 Gen ist nicht auf den Fadenwurm beschränkt. Ähnliche Gene finden sich auch in Mäusen und im Menschen. Zum Beispiel das IRS-1 Gen. Mäuse, bei denen dieses Gen inaktiviert wird, leben länger und bleiben im Alter gesünder. [3] Daf-2 und IRS-1 sind Teil des sogenannten Insulin/IGF-1 Signalwegs: Er reguliert das Wachstum und Überleben von Zellen in Abhängigkeit von den vorhandenen Nährstoffen. Medikamente können diesen Signalweg beeinflussen – wie etwa der Wirkstoff Rapamycin, der bei Mäusen die Lebenszeit verlängert. [4]

Cynthia Kenyon, Mitglied der US National Academy of Sciences und Vizepräsidentin für Alternsforschung beim Google-Unternehmen Calico, wurde mit ihrer Arbeit zu einer der Pionier*innen der modernen Alternsforschung, die Altern nicht mehr als passiven, unregulierbaren Prozess verstehen. Alternsforscher*innen gehen seit Kenyons Erkenntnissen davon aus, dass sich auch die Lebensspanne des Menschen durch entsprechende Therapien verlängern und der Ausbruch altersbedingter Krankheiten hinauszögern ließe.

Tony Wyss-Coray: Junges Blut gegen Alzheimer

Was passiert, wenn man alten Mäusen das Blutplasma junger Tiere spritzt? Ihr Gedächtnis wird wieder so leistungsfähig wie in ihrer Jugend. Diese unglaubliche These belegten 2014 der Schweizer Wissenschaftler Tony Wyss-Coray, Professor für Neurologie und Neurologische Wissenschaften an der Stanford University in Kalifornien, und sein Team.

Nur wenige Jahre später zeigten die Forschungen: Auch im Plasma der menschlichen Nabelschnur befinden sich bestimmte Eiweiße, die jung halten – und die bei alten Mäusen wie ein Jungbrunnen wirken. [5] Die Antwort auf folgende Frage ist allerdings noch offen: Helfen diese speziellen Blutsubstanzen auch bei greisen Menschen? Falls ja, könnten Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson dank neuartiger Medikamente künftig der Vergangenheit angehören.

Mit einem eigens gegründeten biopharmazeutischen Unternehmen will Coray die Forschungen zur Entschlüsselung molekularer Vorgänge in Zellen weiter vorantreiben. Derzeit führen die Wissenschaftler*innen dort klinische Studien mit Alzheimer-Patient*innen durch. [6] Mit seinen Forschungen will es der Mediziner Menschen ermöglichen, gesund alt zu werden – und Krankheiten wie Demenz so lange wie möglich hinauszögern.

Nir Barzilai: Auf der Suche nach der Pille gegen das Altern

Das Altern aufhalten will Nir Barzilai, Professor für Medizin und Genetik am Albert Einstein College of Medicine in New York und Gründungsdirektor des Instituts für Alternsforschung. Sein Ansatz: Über Hundertjährige verfügen über bestimmte Genvarianten, die den Alterungsprozess verzögern und vor altersbedingten Erkrankungen bewahren. Mit der Entdeckung einer Variante im CETP Gen, die besonders bei über Hundertjährigen häufig auftrat, sorgte das Forscher*innenteam um Barzilai 2006 für Schlagzeilen. [7] Sie fanden heraus: Das CETP Gen spielt eine wichtige Rolle im Cholesterinstoffwechsel, und alte Menschen mit dieser Genvariante haben eine verbesserte geistige Fitness. Versuche, das CETP Gen direkt mit Medikamenten zu beeinflussen, mussten aufgrund unerwarteter Nebenwirkungen allerdings eingestellt werden.

Doch Nir Barzilai ist sich sicher: Neue Medikamente könnten in Zukunft das Leben verlängern – so wie eine Pille mit dem Wirkstoff Metformin, die Barzilai und seine Kolleg*innen entwickeln. Metformin ist bereits weltweit als Medikament Typ-2-Diabetes zugelassen und sicher in der Anwendung. Mäuse, die mit Metformin gefüttert werden, leben länger. Doch kann Metformin auch das Leben von Menschen verlängern, vielleicht sogar altersbedingte Krankheiten wie Demenz oder Krebs umgehen? Eine Studie, unter anderem initiiert von Nir Barzilai, soll Gewissheit bringen. [8]

David A. Sinclair: Altern ist eine Krankheit

Stammzellenforschung und Gentherapien werden künftig die Aufgabe von Impfungen und Antibiotika übernehmen. Davon ist David A. Sinclair überzeugt. Eine Obergrenze bei der Lebenserwartung gibt es nach Ansicht des australischen Wissenschaftlers nicht. Weil Altern in Zukunft als Krankheit behandelt und der Tod auf diese Weise hinausgeschoben wird, so vermutet der Genetikprofessor an der Harvard Medical School in Cambridge.

Wie aber sieht die Therapie gegen das Altern aus? Sie verbessert die Reparaturfunktion alternder Zellen mithilfe von speziellen Anti-Aging-Medikamenten, sagt Sinclair – und testet seine Methoden an sich selbst. Täglich nimmt er verschiedene Mittel gegen das Altern, die der Wissenschaftler in von ihm mitgegründeten Biotechnologieunternehmen entwickeln lässt.

Darunter ist zum Beispiel ein Wirkstoff, der die Produktion des Moleküls NAD (Nicotinamidadenindinukleotid) im Körper anregt: Sinclairs Forschung an Mäusen zeigt, dass die Menge an NAD mit dem Alter abnimmt und eine Gabe von NAD alte Mäuse gesünder macht und die Lebenszeit verlängert. Ob dies so auch im Menschen funktioniert, ist derzeit noch offen [9] – und einen Beleg für eine positive Wirkung der NAD Therapie gibt es noch nicht. [10]

Judith Campisi: Müllabfuhr für alte Zellen

Derzeit als medizinischer Jungbrunnen der Zukunft hoch gehandelt sind Senolytika – Medikamente, die alte und nicht mehr funktionstüchtige Zellen (sogenannte seneszente Zellen) aus dem Körper entfernen. Verschiedene Gründe, wie zum Beispiel kurze Telomere oder Schäden am Erbgut, führen mit dem Alter dazu, dass sich Zellen nicht mehr teilen und stattdessen schädliche Moleküle abgeben, die beispielsweise zu Krebszellen entarten können.[11] Häufen sich diese seneszenten Zellen im Laufe der Jahre an und werden nicht vom Immunsystem bekämpft, kann es zu Erkrankungen kommen.

Eine der Wegbereiterinnen der Senolytika-Forschung ist Judith Campisi, Professorin an der Stony Brook University in New York und Unternehmensgründerin. Ihr Ziel ist es, gealterte Zellen aus Organismen zu entfernen und zu prüfen, wie und ob sich das Gewebe verjüngen lässt – damit Demenz, Krebs oder andere Erkrankungen verhindert werden. Erste Tierversuche waren bereits erfolgreich, die Verjüngung gelang. [12] Versuche an Menschen führt derzeit die Firma durch, die Campisi gegründet hat. [13]


Quellen und Literaturangaben

[1] https://www.nature.com/articles/s41576-019-0099-1
[2] https://www.nature.com/articles/366461a0
[3] https://www.fasebj.org/doi/abs/10.1096/fj.07-9261com?rfr_dat=cr_pub%3Dpubmed&url_ver=Z39.88-2003&rfr_id=ori%3Arid%3Acrossref.org&journalCode=fasebj
[4] https://www.nature.com/articles/nature08221
[5] https://www.nature.com/articles/nature22067.epdf?referrer_access_token=13dcoMr1ZnPRSK-N98Ter9RgN0jAjWel9jnR3ZoTv0PLoWDRiMFkvCJJC09K9nW7cttZXObWI-2OrgEd0bESL-h8h4-8RedCGLHcx0_zyKWl_fAQpnNl07q3Ks5PME10JgJa0HMyvdSxvz4PUWOX_bGxTol0si5orya3KA3wjtBDRAKBWsmhesC3FnIKwdW7_R7yGBSZd7tDI2Lv7jckLHAW097gTUvFTcaKRDa6c4AkcYkHUdlwo65sFCo3ckSY&tracking_referrer=www.zeit.de
[6] https://www.alkahest.com/
[7] https://www.aerzteblatt.de/treffer?jahr=2006&wo=153&typ=1&nid=26920
[8] https://www.pharmazeutische-zeitung.de/was-steckt-in-der-anti-aging-pipeline/
[9] https://www.biorxiv.org/content/10.1101/680462v1.full
[10] https://sz-magazin.sueddeutsche.de/gesundheit/david-sinclair-harvard-alter-forschung-jung-bleiben-87755?reduced=true
[11] https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/seneszenz/61014
[12] https://www.technologyreview.com/s/612284/finally-the-drug-that-keeps-you-young/
[13] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5556182/