Futurium Intropic Pasztor

Quelle (Bildausschnitt des Originals): https://bit.ly/2ZzwcjI; Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-nd/2.0/

Interview mit EU-Diplomat Janos Pasztor

„Eine besonders kontroverse Idee"

Was können wir gegen den Klimawandel tun? Es gibt verschiedene Ansätze, einer davon ist das Geo-Engineering, auch Climate Engineering genannt. Der hochrangige EU-Diplomat Janos Pasztor erklärt, warum dies funktionieren könnte – und wie es politisch umsetzbar wäre.

Futurium Intropic Pasztor

Quelle (Bildausschnitt des Originals): https://bit.ly/2ZzwcjI; Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-nd/2.0/

Wenn sich jemand mit dem Thema Klimaschutz und Klimawandel auskennt, dann ist es der ungarische Diplomat Janos Pasztor. Er hat bereits eine lange Karriere bei den Vereinten Nationen (UN) hinter sich – unter anderem bei der „UN Environment Management Group“ und der „United Nations Framework Convention on Climate Change“. Zwischen Januar 2015 und Dezember 2016 arbeitete Pasztor dann sogar als oberster Ratgeber des UN-Generalsekretärs beim Thema Klimawandel und -schutz.

Herr Pasztor, Sie beschäftigen sich unter anderem intensiv mit Geo-Engineering. Was genau verstehen Sie denn überhaupt darunter?

Janos Pasztor: „Geo-Engineering“ steht für die Idee, dass die Menschen das globale Klima in großem Stil manipulieren könnten – um damit dem menschengemachten Klimawandel zu begegnen. Das ist die allgemeine Definition. Aber gerade herrscht Uneinigkeit darüber, was Geo-Engineering eigentlich genau beinhaltet. Daher bevorzuge ich es, nicht über Geo-Engineering im Allgemeinen zu sprechen, sondern über die verschiedenen Herangehensweisen.

Welche Herangehensweisen sind das?

Pasztor: Eine Idee wäre, die Milliarden Tonnen CO2 aus der Luft zu holen, die sich dort befinden. Das nennt sich Carbon Dioxide Removal (CDR). Um dies umzusetzen, gibt es viele verschiedene Herangehensweisen, einige natürlich, andere technologisch. Sie alle haben allerdings auch Haken. Denn keine kann mit der nötigen Schnelligkeit und in der passenden Größenordnung durchgeführt werden. Eine andere Möglichkeit wäre, das Sonnenlicht ins All zu spiegeln und damit die globale Temperatur zu senken. Das Ganze nennt sich Solar Radiation Modification (SRM), Solar Radiation Management oder Solar Geo-Engineering und existiert bisher vor allem theoretisch, in wissenschaftlichen Abhandlungen und in Computer-Modellen.

Und gibt es noch eine dritte Möglichkeit?

Pasztor: Nun, eine besonders kontroverse Idee, die auch zum SRM gehört, ist es, reflektierende Partikel in die Stratosphäre zu sprühen. Die sogenannte Stratospheric aerosol injection (SAI) bringt allerdings gleich mehrere Herausforderungen mit sich, etwa ihre möglicherweise noch unausgewogenen Wirkungen. Doch sie ist bisher wirklich nur eine Idee, wird noch nicht angewandt oder draußen getestet. An der Harvard Universität wird aktuell allerdings an stratosphärischen Aerosolen geforscht, was sich als relevant für die SAI erweisen könnte.

Was sind die Vor- und Nachteile dieser GE-Techniken?

Pasztor: Wir sollten all diese GE-Techniken vor dem Hintergrund des drohenden Klimawandels beurteilen – und sie haben einen großen Vorteil: Sie könnten die Risiken der Klimaerwärmung reduzieren. Einige haben weitere Vorteile, aber das ist von Technik zu Technik unterschiedlich. Alle würden natürlich auch Kosten verursachen und Risiken beinhalten – wobei diese nicht für alle gleich wären, was dann wiederum zu Kompensationsansprüchen und Haftungen führen könnte. Das macht es schwierig, abschließend die Vor- und Nachteile zu beurteilen.

Vielleicht müssen wir daher etwas detaillierter vorgehen: Wie sieht es mit CDR aus?

Pasztor: Mit Blick auf CDR sollten wir das International Panel on Climate Change (IPCC) im Hinterkopf behalten – dieses sagt, bis zum Jahr 2100 müssen zwischen 100 und 1000 Milliarden Tonnen CO2 entfernt werden. Nur dann kann die Erderwärmung unter 1,5°C gehalten oder die Klimaneutralität bis 2050 geschafft werden. Dazu brauchen wir CDR. Doch natürlich hat CDR auch Risiken – etwa die umfangreiche Nutzung von Land, Energie und Wasser. Einige Technologien könnten sich zudem negativ auf Biodiversität, das Grundwasser und Bodengüte auswirken. Aber da sollte man sich die einzelnen CDR-Technologien noch einmal genauer anschauen.

Was ist mit SRM?

Pasztor: Über SRM wissen wir noch sehr wenig – wir wissen kaum etwas über die Vor- und Nachteile, über die Risiken und den Nutzen. Aus diesem wenigen, das wir wissen, entnehmen wir aber, dass SRM die Ozeane, das Wetter, das Ozonloch, die Wolken in troposphärischen Schichten, die biologische Produktivität sowie den Wasserkreislauf beeinflussen könnte. Zudem könnte die geopolitische Stabilität beeinträchtigt und kulturelle und philosophische Fragen aufgeworfen werden. Genau dieselben Risiken können aber selbstverständlich auch dann auftreten, wenn nicht genug gegen den Klimawandel unternommen wird.

Und da wäre noch SAI…

Pasztor: Die SAI-Technik kann für wenig Geld sehr große Veränderungen der globalen Temperatur herbeiführen. Allerdings führt das natürlich auch zu verschiedenen politischen Herausforderungen, die diskutiert werden müssen.

Wie können wir sicherstellen, dass wir mit all diesen Risiken umgehen, sie beherrschen können? Fangen wir doch wieder mit der CDR-Technik an.

Pasztor: Wir müssen dieses Thema mit der gesamten Gesellschaft diskutieren. Die Diskussionen haben bereits begonnen, aber sie sind noch nicht ausgereift. Falls CDR eingesetzt werden soll, müssen Regierungen und andere Stakeholder politische Anreize setzen, um die Forschung voranzutreiben – und gleichzeitig sicherzustellen, dass Forschung, Tests und die Nutzung von CDR sicher ist. Und die internationale Politik müsste sich um soziale und ökonomische Auswirkungen kümmern, sich zudem mit Verantwortlichkeit, Prüfung, Buchhaltung und Finanzen beschäftigen. Die UN Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) besitzt einige Elemente, die als Basis für ein politisches Gerüst dienen – aber noch stärker ausgearbeitet werden – könnten. Außerdem relevant wären die Convention on Biological Diversity (CBD) oder die United Nations Environment Assembly (UNEA).

Das ist ja schon sehr detailliert. Wie sieht es mit SRM aus?

Pasztor: Die Gespräche über SRM sind weniger vorangeschritten, aber werden aktuell immer wichtiger – denn es wird immer deutlicher erkannt, welche Herausforderungen vor uns liegen. Erst wenn diese Gespräche weit fortgeschritten sind, können Entscheidungen getroffen werden. Allerdings werden einige SRM-Techniken bereits draußen erprobt – dafür benötigen wir einen politischen Leitfaden, einen Code of Conduct und ein unabhängiges Monitoring sowie Schutzmaßnahmen. Auf längere Sicht hin könnte internationale Kontrolle wichtig werden, auch mithilfe der UN-Generalversammlung, der UNFCCC, der CBD, des Londoner Abkommens, des Wiener Abkommens und des UN Abkommens über das Seerecht.

Nun, da ich drei Enkel habe, die in der zukünftigen Umwelt leben werden, ist es natürlich auch ein persönliches Anliegen für mich.

Janos Pasztor

Was denken Sie persönlich über Geo-Engineering?

Pasztor: Es geht nicht darum, was ich persönlich denke – auch wenn ich die letzten vier Jahrzehnte meines Berufslebens dem Umweltschutz und der Förderung von nachhaltiger Entwicklung gewidmet habe. Und nun, da ich drei Enkel habe, die in der zukünftigen Umwelt leben werden, ist es natürlich auch ein persönliches Anliegen für mich. Wir wissen vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), dass wir großflächiges CDR betreiben müssen. Allerdings können wir als Gesellschaft entscheiden, in welcher Form wir dies wie durchführen möchten, wer es bezahlt und so weiter. Wir sollten alle – durch welche Prozesse auch immer – die Möglichkeit haben, unsere Meinung dazu zu sagen. Ich bin mehr daran interessiert, dass diese Prozesse entstehen als daran, mir selber eine Meinung darüber zu bilden, was wir schlussendlich tun sollten.

Das gilt fürs CDR. Aber wie sieht es mit anderen Techniken aus?

Pasztor: Wenn wir das SRM betrachten, dann ist die Antwort sogar noch schwieriger. Denn wir wissen einfach nicht genug über ihre Vor- und Nachteile oder darüber, wie sie im Detail funktionieren oder beherrscht werden können. Ich kann nur sagen: Wir müssen möglicherweise einige dieser Technologien verwenden – und die große Herausforderung ist es, dass wir nichts einfach ablehnen ohne mehr darüber zu lernen. Deswegen glaube ich, dass wir aktuell mehr Forschung benötigen, um unser Wissen zu erweitern, bevor wir überhaupt über eine Nutzung nachdenken können.

Ganz abgesehen von der jeweiligen Technik: Könnte es nicht sein, dass viele Menschen das Geo-Engineering als eine Entschuldigung sehen, um ihren Lebensstil nicht zu ändern – trotz Klimawandels?

Pasztor: Ja. Es gibt ein Risiko, dass manche Menschen und Organisationen versuchen, diese Ideen zu nutzen – um dem Druck zu entgehen, die Emissionen zu senken. Doch der IPCC sagt klar: CDR wird benötigt, um die Klimaerwärmung unter 1,5 °C zu halten; wir müssen also darüber sprechen. Es wäre fahrlässig, es nicht zu tun. Bei SRM wissen wir noch zu wenig, um zu entscheiden, ob wir diese Technik einsetzen müssen. Doch auch da scheint es mir risikoreicher zu sein, die öffentliche Debatte klein zu halten – stattdessen sollten wir sie auf verantwortungsvolle und integrative Weise führen.