Foto: Neil Palmer/Crop Trust

Im Inneren des Svalbard Global Seed Vault

Ein sicherer Ort für die Saatgutvielfalt der Welt

Tief in einen Berg auf dem abgelegenen arktischen Archipel Spitzbergen (Svalbard) eingemeißelt, befindet sich eines der außergewöhnlichsten Projekte der Menschheit zur Sicherung der Zukunft des Lebens auf der Erde – das Svalbard Global Seed Vault. Oft als „Weltuntergangs-Bunker“ bezeichnet, ist es nicht für das Ende der Welt gedacht, sondern für deren Fortbestand. Es handelt sich um eine globale Versicherungspolice zur Sicherung der Landwirtschaft in Krisenzeiten.

Foto: Neil Palmer/Crop Trust

Mehr als 1,3 Millionen Saatgutproben sind hier eingelagert und repräsentieren Tausende von Nutzpflanzensorten, die über Jahrtausende hinweg kultiviert wurden. Jedes Saatkorn trägt genetische Merkmale in sich, die für die Nahrungsmittelproduktion und die Anpassung an das Klima essenziell sind – entscheidende Schlüssel zur Bewältigung künftiger landwirtschaftlicher Herausforderungen.

Der Saatguttresor ist im Besitz der norwegischen Regierung und wird in Partnerschaft mit dem Norwegischen Landwirtschafts- und Ernährungsministerium, NordGen und dem Crop Trust betrieben. Anders als traditionelle Genbanken dient Svalbard ausschließlich als gesichertes Backup-Lager, das Duplikate von Saatgutproben aus anderen Genbanken weltweit aufbewahrt. Die Kühlräume sind nicht dauerhaft bemannt; nur zu bestimmten Einlagerungsterminen besuchen ausgewählte Mitarbeitende – darunter der Koordinator des Saatguttresors Åsmund Asdal – die Anlage, um neue Lieferungen sicher einzulagern.

Warum Saatgut so wichtig ist

Saatgut ist bedeutend, weil es Träger biologischen Gedächtnisses ist. In seinen Genomen verbergen sich Anpassungen an Trockenheit, Krankheiten, Salzgehalt und extreme Temperaturen sowie der Code für Geschmack, Farbe und Nährwert. Mit zunehmender Klimaunsicherheit ist der Zugang zu diesem genetischen Reservoir von entscheidender Bedeutung.

Doch die alten Landsorten und wilden Verwandten moderner Kulturpflanzen – in denen Züchtende diese Merkmale finden – sind zunehmend durch Lebensraumverlust und landwirtschaftliche Vereinheitlichung bedroht. Ihre Erhaltung bewahrt einen Werkzeugkasten, den die Menschheit dringend braucht, um ihre Ernährungssysteme neuen Herausforderungen anzupassen.

So funktioniert der Tresor

Svalbard stellt die letzte Stufe in einem dreigliedrigen globalen Saatgutsicherungssystem dar. Nationale Genbanken bewahren Sammlungen für die Nutzung im eigenen Land durch Züchtende, Forschende und Landwirte auf, senden Duplikate an andere nationale oder internationale Genbanken zur Absicherung und deponieren eine dritte Kopie im Global Seed Vault für maximale Sicherheit.

Während des syrischen Bürgerkriegs musste die internationale Genbank des ICARDA-Instituts aus Aleppo evakuiert werden. Dank der in Svalbard eingelagerten Backups konnte die wertvolle Saatgutsammlung aus der Wiege der Landwirtschaft erfolgreich regeneriert und zurückgeführt werden – ein Erfolg, der den essenziellen Zweck des Tresors eindrucksvoll unter Beweis stellt.

Die Samen kommen versiegelt in Aluminiumbeuteln an, verpackt in beschriftete Boxen, die im Besitz der jeweiligen Einlagernden bleiben. Nur die ursprünglichen Eigentümer können auf ihren Inhalt zugreifen – der Tresor fungiert als Verwalter, nicht als Sammler. Selbst die Betreiber dürfen die Boxen ohne Genehmigung nicht öffnen.

Warum Svalbard?

Der Standort wurde wegen seiner geologischen Stabilität, dem tiefen Permafrost, der niedrigen Luftfeuchtigkeit und seiner geopolitischen Neutralität gewählt. Selbst ohne Kühlung bewahrt die natürliche Kälte Saatgut über Jahrhunderte hinweg.

Der Klimawandel hat jedoch auch die Arktis erreicht. 2017 erforderte das Auftauen des Permafrostbodens nahe dem Eingang bauliche Verbesserungen. Doch die tief im Inneren gelegenen Saatgutkammern blieben unversehrt – ein Beweis für die Widerstandsfähigkeit der Anlage.

Ein globales Gemeingut

Über 100 Länder haben Saatgut beigesteuert und machen den Tresor zu einem kraftvollen Symbol internationaler Zusammenarbeit jenseits politischer Grenzen. Die Sicherheitslagerung in Svalbard wird vom Internationalen Saatgutvertrag empfohlen.

Zukunft bewahren

„Es ist jedes Mal ein tiefes Gefühl von Erleichterung und Freude, wenn Saatgutboxen aus aller Welt im Svalbard Global Seed Vault eintreffen. Der Tresor symbolisiert ein starkes globales Engagement – Nationen, die sich in Frieden zusammenschließen, um eine lebenswichtige gemeinsame Ressource zu schützen.

Die Bewahrung der genetischen Vielfalt in der Arktis ist unsere Versicherung für die Zukunft – sie sichert die Anpassungsfähigkeit unserer Nutzpflanzen und damit unsere Ernährungssicherheit für kommende Generationen“, sagt Stefan Schmitz, Geschäftsführer des Crop Trust.

Foto: Svalbard Global Seed Vault/Riccardo Gangale

Autor*in

Ludmilla Ostermann