„Gedanken lesen" als Mess-Methode. Foto: Tim Sheerman-Chase (CC BY 2.0 / https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/)
Denkraum Technik
Die Decodierung der Gedanken
Gehirn-Computer-Schnittstellen könnten eine neue Ebene der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine möglich machen. Vor allem im medizinischen Sektor schreitet die Forschung voran. Bereits heute eröffnen sie neue Perspektiven, etwa bei der Rehabilitation von Schlaganfallpatient*innen, bei Epilepsie, Parkinson oder Schizophrenie.
„Gedanken lesen" als Mess-Methode. Foto: Tim Sheerman-Chase (CC BY 2.0 / https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/)
Aber auch in anderen Bereichen des Lebens kann ein BCI relevant werden. Spiele-, Bildungs- oder Lifestyle-Unternehmen könnten Gehirn- und andere Biosignale dafür einsetzen, verschiedene Anwendungen zu entwickeln und anzubieten. Wie kann, wie soll und wie darf es mit Gehirn-Computer-Schnittstellen weitergehen? Und: Welche Regeln muss die Gesellschaft für den Umgang mit dieser Technologie entwickeln?
Was kann eine Gehirn-Computer-Schnittstelle – und was nicht?
Aus unseren Gehirnsignalen lassen sich mentale Zustände ablesen, wie die Vorstellung die Hand zu heben. Da bestimmte Gedanken mit charakteristischen Mustern einhergehen, können Computer lernen, daraus Rückschlüsse zu ziehen. Es ist bereits gelungen, verschiedene Arten von Gedanken zu erkennen. Beispielsweise lässt sich unterscheiden, ob ein*e Proband*in gerade an ein Musikstück oder an eine Bewegung denkt.
Wie aber lässt sich der Gedanke an Musik in einen konkreten Befehl umwandeln? Dafür müssen Mensch und Maschine zusammenarbeiten und sich auf eine gemeinsame Zuordnung von Gedanken und Absichten einigen. Steht etwa der Gedanke an ein Tennisspiel für „Ja“ und der Gedanke an ein Musikstück für „Nein“, wird das Beantworten einfacher Fragen möglich.
Dabei bleibt bisher für die Maschine verborgen, an welches Stück oder welche Bewegung genau der Mensch denkt. Die elektrischen Impulse verraten nichts über den Inhalt von Gedanken, über Gefühle oder Absichten. So bleibt das (Aus-)Lesen von Gedanken vorerst ein Science-Fiction-Szenario.
Technik im Dienste der Patient*innen
Unfälle, Schlaganfälle oder schwere Krankheiten wie ALS (amyotropher Lateralsklerose, eine Erkrankung des Nervensystems, bei der es zu einer vollständigen Lähmung des Körpers kommen kann) können dazu führen, dass Menschen die Fähigkeit verlieren, ihre Muskeln gezielt zu bewegen. Dieser Zustand wird als „Locked-in Syndrom" bezeichnet.
Gehirn-Computer-Schnittstellen könnten es den Betroffenen ermöglichen, trotz fortgeschrittener Krankheit weiter mit ihrer Umwelt zu interagieren und so am Leben teilzuhaben.
Es ist bereits möglich, per EEG-Kappe (EEG = Elektroenzephalogramm) und einem Gerät, das Hirnströme in Bildschirmsignale umwandelt, allein mit der Kraft der Gedanken einzelne Buchstaben und sogar ganze Sätze zu diktieren. Ein Forscherteam des Neurowissenschaftlers Prof. Niels Birbaumer an der Universität Tübingen schaffte hier 1999 den vermeintlichen Durchbruch. Mehr zur Birbaumers Forschung und einer aktuellen Kontroverse findest Du hier.
Wird es künftig medizinisch und ethisch vertretbar sein, einen Schritt weiterzugehen und Patient*innen Gehirnimplantate einzusetzen? Eine populäre Vision ist, es gelähmten Menschen zu ermöglichen, mit Hilfe von Gehirnimplantaten ein sogenanntes Exoskelett zu steuern – eine Art Roboteranzug, der die Bewegungen des Trägers unterstützt oder verstärkt – und damit wieder laufen zu können. Kurz gesagt: Technologisch ist vieles denkbar.