Foto: David von Becker
Kurator*innen im Interview
Biobasierte Zukunft im Futurium
Die Ausstellungsmacherinnen Rosalina Babourkova und Jasmin Minges erzählen, wo es in der Futurium-Ausstellung um Bioökonomie und biobasierte Innovationen geht und welche Exponate zu ihren persönlichen Favoriten zählen. Das vollständige Interview von Kristin Kambach ist zuerst auf biooekonomie.de erschienen.
Foto: David von Becker
Das Thema Bioökonomie nimmt im Futurium einen großen Platz ein. Welche Exponate weisen den Weg in eine biobasierte Zukunft?
Jasmin Minges: Es gibt zum Beispiel viele spannende Exponate, die zeigen, wie es uns gelingen könnte, in Zukunft in einer Welt ohne Müll zu leben. Die Besucher*innen können neue Materialien entdecken, die aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden und auch vollständig biologisch abbaubar sind, oder es künftig sein sollen. Flip-Flops aus Algen zum Beispiel, eine kompostierbare Lampe oder biologisch abbaubare Kunststoffe aus Orangenschalen. Man kann aber auch einen Blick in eine ideale Kreislauffabrik werfen und schauen, wie dort die Herstellungsprozesse so organisiert werden können, dass in der Industrie weniger Abfälle entstehen.
Rosalina Babourkova: Auch Baustoffe könnten in Zukunft nachwachsend sein. Wir zeigen den Prototyp einer tragenden Struktur, dessen Bauelemente aus Myzelium – den Wurzeln von Pilzen – und pflanzlichen Abfällen gewachsen sind. Dazwischen befinden sich kleinere Elemente aus Bambus, die die Struktur verstärken. Bambus wächst sehr schnell, bindet dabei viel CO₂ und kommt in vielen Teilen der Welt vor. Als Baumaterial ist Bambus zugleich stark und flexibel. Forscher*innen testen gerade, wie sich Bambus als Bewehrungsmaterial für Beton eignen könnte, um Stahl zu ersetzen.
Rosalina Babourkova ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Ausstellungsteam. Sie ist promovierte Stadtforscherin und hat Geografie und Umweltmanagement studiert.
Welche Ideen möchten Sie mit diesem Bereich transportieren?
Minges: In einem Teil der Ausstellung fragen wir, wie wir die Natur neu denken können. Wir schaden der Umwelt und dem Klima im Moment massiv. Dass der Mensch auch weiterhin in die Umwelt eingreifen wird, ist sicher. Aber wie schaffen wir es, unsere Bedürfnisse zu erfüllen, ohne die Natur noch mehr zu zerstören? Wir stellen Beispiele vor, wie wir zu neuen Lösungen kommen, wenn wir die Natur erhalten und sie erforschen, zu nachhaltigeren Lösungen.
Babourkova: Und es gibt noch eine wichtige Botschaft: Es gibt schon viele verschiedene Lösungen. Forscher*innen, Designer*innen oder Unternehmer *innen arbeiten schon jetzt daran, wie wir Ressourcen schonen und die Müllberge verringern können. Es gibt aber auch noch Hürden zu überwinden. Wir müssen uns zum Beispiel darüber Gedanken machen, welche nachwachsenden Rohstoffe wir nutzen sollten und welche zu große Ackerflächen benötigen würden, auf denen wir besser Nahrungsmittel herstellen könnten, oder ob wir weiter so große Mengen Verpackungsmaterial benötigen.
Welches biobasierte Ausstellungselement ist Ihr persönlicher Favorit und warum?
Babourkova: Mein Favorit hat wieder was mit dem Thema Bauen zu tun. Es gibt ein spannendes Modell von einem Haus: Eine Testwohnung, an der auch gerade geforscht wird – das „NEST-Unit Urban Mining & Recycling (UMAR)“. Die Testwohnung ist ein Projekt von Werner Sobek mit Dirk Hebel und Felix Heisel und befindet sich im Forschungsgebäude der Eidgenössischen Forschungs- und Materialprüfanstalt (Empa) in der Schweiz. Wir haben es in unserem Modell im Futurium auseinandergenommen und zeigen die unterschiedlichen Materialschichten. Es gibt zum Beispiel eine Dämmschicht aus Jeans oder Getränkekartons. Das UMAR ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie Baustoffe aus alten Bauwerken und Gebrauchsgegenständen in dem Neubau einfließen können. Auch sind alle Teile der Wohnung so miteinander verbunden, dass sie vollständig und sortenrein zurückgewonnen und wiederverwendet oder verwertet werden können. Nach diesem Prinzip können auch komplexe Produkte wie ein ganzes Haus kreislauffähig gestaltet werden.
Jasmin Minges ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Ausstellungsteam. Sie hat europäische Ethnologie, neuere und neueste Geschichte und Kultur, Kommunikation & Management studiert.
Minges: Die große Skulptur im Denkraum Natur. Im Gegensatz zu der Testwohnung UMAR ist sie ein abstraktes Kunstwerk. Sie gibt mir ein Gefühl davon, wie spannend es sein kann, sich von den Formen der Natur inspirieren zu lassen. Und sie lädt zum Träumen ein, wie unsere Umwelt in Zukunft aussehen könnte. Die Planung und der Aufbau der Installation waren technologisch hochkomplex. Die Form wurde von einem Algorithmus berechnet, so dass aus nur elf verschiedenen Holzbauteilen eine faszinierende Form entstanden ist. Die Handwerker*innen haben eine Augmented-Reality-Brille genutzt, um die über 13.000 Teile an der richtigen Stelle zu platzieren.
Wie sieht Ihre persönliche biobasierte nachhaltige Zukunft aus?
Babourkova: Alles, was ich im Alltag an Produkten konsumiere – die Kleidung, die ich trage, die Kosmetik, die ich nutze – besteht aus biologisch abbaubaren Materialien. Verpackungen sind auf das Notwendigste reduziert. Und wenn ein Produkt eine Verpackung braucht, dann ist sie auch biologisch abbaubar. Haushaltsgeräte sind so konstruiert, dass sie nach Gebrauch wieder ganz leicht in ihre Bestandteilen auseinandergenommen werden können. Und die einzelnen Materialien kehren wieder in ihren Produktionskreislauf zurück. Die ganze Industrie ist logistisch so organisiert, dass man komplexere Produkte ganz leicht an die Hersteller zurückschicken kann, die sie dann sortenrein auseinandernehmen und wiederverwerten. Verschiedene Hersteller und Industrien sind in ihren Produktionsprozessen miteinander vernetzt. So können sie schnell und einfach wiederverwertete Rohstoffe untereinander beziehen und tauschen und wertvolle Rohstoffe wie Metalle oder Sand müssen nicht mehr in der Natur abgebaut werden.
Minges: So viele Dinge wie möglich werden nachhaltig und fair produziert sein. Ich denke aber auch, wir werden nicht drum herumkommen, unseren Verbrauch zu überdenken und unseren Konsum zu reduzieren. Und ich glaube, dass dies nicht unbedingt bedeuten muss, dass es uns wirklich schlechter geht, wenn wir mit weniger auskommen. Die Dinge, die wir benutzen, werden zum Beispiel langlebiger sein, wir werden sie öfter reparieren oder untereinander tauschen. Die meisten von uns benötigen zum Beispiel nicht 365 Tage im Jahr eine Bohrmaschine. In der Ausstellung zeigen wir viele Projekte und Initiativen, die neue und überraschende Wege aufzeigen.