
Balangay Spacecraft: Vom Wasser erschaffen
Der philippinische Künstler Leeroy New präsentiert mit „Balangay Spacecraft“ im Futurium eine Installation, die sich mit Gemeinschaft, Ökologie und sich wandelnden Beziehung zwischen Mensch, Wasser und Technologie auseinandersetzt. Mit Online-Redakteurin Ludmilla Ostermann spricht der zeitgenössische philippinischen Künstler über die Herkunft des Titels, verwendete Materialien und was es bedeutet, Ozean-Bewohner*in zu sein.

Balangay Spacecraft – was hat es mit dem Titel auf sich?
Leeroy New: „Balangay“ ist unser Wort für die alten Boote auf den Philippinen. Im Laufe der Zeit wurde daraus „barangay“, was heute Gemeinschaft oder Dorf bedeutet. Unsere Vorstellung von Gemeinschaft ist also mit unserem Leben auf dem Wasser verwurzelt. Diese Boote haben eine organische Form, und meine Arbeit knüpft an diese Entwicklung an – daran, wie unsere Beziehung zum Wasser beeinflusst hat, wie wir bauen und leben. Ich habe einmal eine ähnliche Installation am Strand geschaffen, und dieses Werk führt diese Geschichte nun in einem Innenraum weiter.
Ist dies das erste Mal, dass Sie das Konzept in einen Innenraum übertragen haben?
New: Ja. Die meisten meiner Projekte sind Installationen im Freien. Daher ist es eine neue Herausforderung, etwas in einem gestalteten Innenraum wie dem Futurium zu zeigen. Aber es fühlt sich immer noch öffentlich an. Hier herrscht ständige Bewegung und Interaktion.
Ich will herausfinden, wie kreatives Schaffen auf dringende Umweltfragen reagieren kann.
Lässt Sie diese Umgebung im Futurium auf andere Weise inspirieren?
New: Auf jeden Fall. Ich arbeite schon mein ganzes Leben in der Kunstwelt, aber ich wollte mich Wissenschaft und Technologie zuwenden – Kunst als Mittel zu nutzen, um Innovationen zu erforschen. Ich will herausfinden, wie kreatives Schaffen auf dringende Umweltfragen reagieren kann.“
Der Titel spielt auf den Weltraum an. Wie wird ein Seeschiff zu einem Raumschiff?
New: Ich bin mit einer Liebe zu Science-Fiction aufgewachsen: „Das fünfte Element“, Hayao Miyazakis „Nausicaä aus dem Tal der Winde“ – Welten voller Fantasie und handgemachtem Futurismus. Doch die meisten Science-Fiction-Werke stammen aus Industrienationen. Ich begann mich zu fragen: Wo passen wir, die Philippinen, in diese Zukunftsvorstellungen hinein? Statt Sci-Fi nur zu konsumieren, wollte ich meine eigene Sprache dafür entwickeln. Diese Installation ist auch eine Kritik. In die Philippinen wird Müll aus anderen Ländern exportiert. Ich stelle mir vor: Wenn das so weitergeht, wie würde dann die Zukunft aussehen? Wir sind einfallsreiche Menschen, wir verwenden alles wieder. Bei unseren Festen, die Schutzheilige, lokale Geschichte oder kulturelle Traditionen feiern, verwandeln wir weggeworfene Materialien in bunte Dekorationen. Aus dieser düsteren Realität des Plastikmülls schöpfe ich meine Inspiration, um etwas zu schaffen, das dennoch das Leben feiert.
Foto: Leeroy New
Sie verwenden recycelte oder gefundene Materialien. Folgen diese Ihrer Vision oder prägen sie sie?
New: Sie prägen sie. Jedes Land hat seine eigenen Abfälle und Entsorgungssysteme. Auf den Philippinen gibt es kaum trinkbares Leitungswasser, weshalb Plastikbehälter allgegenwärtig sind. Diese Fülle wurde Teil meiner Bildsprache. Ich begann, Bambus – ein nachhaltige Material – mit Plastik zu kombinieren, um hybride, biosynthetische Strukturen zu schaffen. Bildhauerei kann verschwenderisch sein, daher fordere ich mich selbst heraus, nur das zu verwenden, was bereits existiert. Durch den Besuch von Recyclingzentren wie dem BSR hier in Berlin verstehe ich, wie Gesellschaften mit Müll umgehen und wie diese Systeme ihre Werte widerspiegeln.
Ihre Installation wirkt sowohl utopisch als auch warnend. Wie balancieren Sie Schönheit und Kritik?
New: Auf den Philippinen war die Kunst nie vom Leben getrennt. Wir haben nicht einmal ein direktes Wort für „Kunst” im westlichen Sinne – sie ist in Ritualen, Textilien und Werkzeugen verankert. Tätowierungen bildeten einst die Unterwelt ab, Schnitzereien trugen Glaubensvorstellungen in sich. Deshalb mache ich öffentliche Kunst, um mit Menschen außerhalb von Museumsräumen in Kontakt zu treten. Unsere Kultur legt Wert auf Handwerkskunst und Farbe. Selbst wenn die Themen düster sind, schaffen wir Schönheit. Es liegt in unserer Natur, zu dekorieren und zu feiern – schaut euch nur unsere Fiestas an! Meine Arbeit trägt dieselbe Energie in sich, wenn auch auf eine leisere Weise.
Durch meine Arbeit im Ausland sehe ich, dass diese Probleme global und miteinander verbunden sind.
Die Sonderausstellung „Ocean Futures“ verbindet Berlin und Manila durch gemeinsame Erfahrungen mit dem Küstenleben. Was ist Ihnen aufgefallen, wie verschiedene Kulturen mit dem Meer leben?
New: Sie scheinen unterschiedlich, doch gibt es Parallelen – besonders darin, wie der Müll ins Wasser gelangt. Auf den Philippinen zwingt der steigende Meeresspiegel die Menschen dazu, ihre Häuser jedes Jahr höher zu bauen. Taifune und Überschwemmungen sind an der Tagesordnung und die Menschen sind frustriert über schlecht gemanagte Umweltprojekte. Durch meine Arbeit im Ausland sehe ich, dass diese Probleme nicht isoliert sind, sondern global und miteinander verbunden.
Was bedeutet es für Sie, ein „Bürger des Ozeans“ zu sein?
New: Es bedeutet Fürsorge – zu erkennen, dass wir Teil eines Systems sind, das Abfall und Ungleichgewicht erzeugt, aber auch zu versuchen, Alternativen zu denken. In meiner Arbeit geht es um Regeneration und Sanierung, darum, Räume zu schaffen, die Leben und Gemeinschaft beherbergen können. Eine meiner ersten „Balangay”-Strukturen am Strand wurde beispielsweise aus recycelten Wasserbehältern gebaut. Die Einheimischen fanden, sie sah aus wie Schildkröteneier und verbanden sie mit ihren Geschichten zum Naturschutz. Genau das liebe ich – wenn Menschen ihre eigenen Bedeutungen in die Arbeit projizieren.