Hände halten Erde

Interview: Wie Bodenschutz zur Menschheitsaufgabe wird

Unter unseren Füßen kriselt es

Boden ist eine lebenswichtige Ressource: Er bildet die Grundlage für die menschliche Ernährung und bietet Lebensraum für mehr als die Hälfte der weltweiten Artenvielfalt. Gesunder Boden wird jedoch immer knapper. Warum das so ist, welche Rolle die Landwirtschaft dabei spielt, und was wir tun können, um Böden zu schützen, erfahrt ihr im Interview mit Dr. Anneke Trux, Bodenexpertin und Leiterin der Globalvorhaben Bodenschutz und Bodenrehabilitierung für Ernährungssicherung (ProSoil) und Soil Matters der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

Wie steht es um Böden weltweit?

Anneke Trux: Pro Sekunde geht weltweit gesunder Boden in der Größe von vier Fußballfeldern verloren – das sind insgesamt 100 Millionen Hektar pro Jahr. Fachleute nennen das „Bodendegration“. Das Engagement heutiger und zukünftiger Generationen ist wichtiger denn je, um diesen Trend aufzuhalten, umzukehren und die globalen Verpflichtungen zur Wiederherstellung von einer Milliarde Hektar degradierten Landes bis 2030 zu erfüllen. Das ist entscheidend für die Versorgung einer wachsenden Weltbevölkerung. Gleichzeitig ist ein Drittel der weltweiten Landfläche bereits stark degradiert. Davon sind 3,2 Milliarden Menschen direkt betroffen, insbesondere Kleinbäuer*innen in ländlichen Gebieten, also oft die Ärmsten der Armen.

Dr. Anneke Trux, Bodenexpertin und Leiterin der Globalvorhaben Bodenschutz und Bodenrehabilitierung für Ernährungssicherung (ProSoil) und Soil Matters der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

Und was hat unsere Landwirtschaft und Landnutzung damit zu tun?

Trux: Landwirtschaft und Landnutzung können Verursacher für schlechte Bodengesundheit sein, sie bieten aber auch zahlreiche Lösungen. Nicht nachhaltige Monokulturen und Bodenbewirtschaftung, Überweidung und Abholzung setzen Böden erheblichen Stress aus. Diese sind zudem durch den Klimawandel zunehmend belastet. Verlust von Humus und Nährstoffen aus Böden ist ein kritisches Problem. Dieses wird durch Überschwemmungen oder durch Wind in trockenen Regionen mit geringer Vegetation verstärkt wird, was wiederum die Wasserspeicherkapazität der Böden verringert. Dies erhöht das Risiko von Bodenerosion, dem Verlust von fruchtbarem Boden. In Deutschland ist die Landnutzung ein weiterer entscheidender Faktor: Ein bedeutendes Problem besteht darin, dass fruchtbare Böden immer schneller in bebautes Land umgewandelt werden, beispielsweise durch den Bau von Straßen, Wohngebäuden oder Industrieanlagen. Druck auf Erzeugerpreise und auch sich z.T. widersprechende Regularien machen es Landwirt*innen nicht einfach, in Bodengesundheit zu investieren.

Ein Quadratmeter gesunder Boden enthält mehr Lebewesen als es Menschen auf der Welt gibt.

Wie kann man degradierte Böden denn wiederbeleben?

Trux: Boden ist der artenreichste Lebensraum der Erde. Er besteht aus Wasser, Mineralen, Luft und organischer Substanz wie Wurzeln, Humus und Bodenorganismen. Nährstoffe, Humus und vielfältige Bodenorganismen sind Mangelware in einem degradierten Boden. Ein Quadratmeter gesunder Boden enthält mehr Lebewesen als es Menschen auf der Welt gibt. Damit sie überleben oder wieder leben können, braucht der Boden zuerst Nährstoffe – zum Beispiel durch Kompost oder Grünschnitt. Im Projekt kombinieren wir mehrere Methoden: Wir pflanzen bodenbedeckenden Pflanzen an, wechseln regelmäßig die angebauten Pflanzenarten und nutzen Wurmkompost, um den Boden fruchtbar zu machen. Sparsamer, aber gezielter Einsatz von Mineraldünger kann helfen, noch vorhandene Nährstoffdefizite auszugleichen. Bodenschutz sollte Teil der landwirtschaftlichen Ausbildung sein. Zusätzlich helfen Gesetze und finanzielle Anreize, damit sich die Wiederherstellung von Böden auch lohnt.

Wie können wir Böden in Zukunft besser vor dem Klimawandel schützen?

Trux: Ein Best-Practice Beispiel ist die Rehabilitierung von degradierten Trockentälern in Äthiopien mit so genannten “Flussschwellen“. Das sind Steinwälle in die in einer Kaskade quer zu den Trockentälern liegen, in der Regenzeit die Fluten abbremsen. Wasser sickert in den Boden, fruchtbare Schwemmstoffe lagern sich ab und bilden neue Ackerflächen hinter den Steinwällen. Bäuer*innen können auf diese Weise das Klimarisiko extremer Überschwemmungen kontrollieren und das Grundwasser wird wieder aufgefüllt. Es entstehen neue grüne Landschaften, die Nahrung für bis zu 6000 Menschen in einem Trockental bereitstellen können. Seit 2020 messen wir, wieviel Kohlenstoff im Boden gespeichert wird. Allein 2024 konnten wir so 725.000 Tonnen CO₂ einsparen – so viel wie 67.000 Menschen in Europa pro Jahr ausstoßen. Die Kosten für solche Maßnahmen sind hoch, aber durch die hohen möglichen Erträge lohnen sie sich wirtschaftlich nach bereits drei Jahren.

Markt und die Politik sind wichtige Instrumente zur Steuerung.

Ein Weg zu umwelt- und klimafreundlicher Landwirtschaft ist die Agrarökologie – auch in Ihrem Projekt ein Schwerpunkt. Was bedeutet das genau?

Trux: Agrarökologie ist ein ganzheitlicher Ansatz – von der Farm bis auf den Teller, der auch Gerechtigkeitsaspekte im Agrar- und Ernährungssystem mitberücksichtigt. Dabei sind der Markt und die Politik wichtige Instrumente zur Steuerung. Für Projekte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit bedeutet das, Ansätze wie Fruchtfolgen, Bodenbedeckung oder organische Inputs wie Biokohle oder Wurmkompost in die Aus- und Fortbildung von Landwirt*innen zu integrieren, aber auch die Weiterverarbeitung von städtischem Abfall zu Kompost sowie den Austausch von Personen zu ermöglichen, die einen Wandel hin zu nachhaltigen Agrar- und Ernährungssystemen bewirken möchten. Mit unseren Teams in den jeweiligen Ländern haben wir zusammen ein Kochbucherstellt mit Informationen zu den Pflanzen, die die Bodengesundheit fördern. Auch das ist ein kleines Puzzleteil hin zu gerechteren und regionaleren Ernährungssystemen.

Mit Ihrem Projekt sind Sie in sieben Ländern in Afrika und Asien aktiv. Was können wir in Deutschland von Ländern im globalen Süden lernen?

Trux: Bodenschutz ist in meiner Beobachtung in den letzten Jahren in vielen Ländern des globalen Südens oben auf die politische Agenda gerutscht. Landwirtschaft ist ein wichtiger Wirtschaftszweig der Einkommen und Beschäftigung für einen Großteil der Bevölkerung bietet. Das Thema wird ernsthafter bearbeitet als es hier in Deutschland der Fall ist. Bodenschutz als politisches Thema anzuerkennen, fällt uns oft noch schwer. Aber es ist ein Thema, was mit Blick auf die Sicherung der globalen Ernährung jeden von uns angeht. Da können wir von unseren Partnerländern lernen.

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Auswirkungen von Kalk und integriertem Bodenfruchtbarkeitsmanagement auf Gerste in sauren Böden Äthiopiens.

Foto: GIZ (Abinet Shiferaw)

Auch unsere Böden sind von Dürren und anderen Wetterextremen betroffen. Was würden Sie den Hobbygärtner*innen unter unseren Leser*innen raten, um unsere Böden besser zu schützen und zu erhalten?

Trux: Ein Rat: Streichen Sie den Begriff „Grünabfall“ aus ihrem Wortschatz und dem samstäglichen Tun. Was im Garten an Baum-, Hecken-, Rasenschnitt und im Haushalt an organischen Küchenresten anfällt, ist kein Abfall, sondern Rohstoff für wertvollen Kompost oder Mulch. Sparen Sie sich also den Weg zum Grünstoffabfallhof. Teilen Sie sich einen Schredder mit Nachbar*innen. Sorgen sie dafür, dass die Böden in ihrem Garten nicht nackt und ordentlich sind, sondern ganzjährig von Pflanzen bedeckt werden. Legen Sie ein Hochbeet an. Freuen Sie sich über Regenwürmer und Insekten. Pflanzen Sie keine wasserhungrigen exotischen Pflanzen, sondern wählen Sie Pflanzen, die Insekten anziehen und auch bei längerer Trockenheit überleben, ohne dass sie regelmäßig gegossen werden müssen. Genießen Sie ein bisschen Wildnis in Ihrem Garten.

Autor*in

Magali Mohr

mohr@futurium.de