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5 Fragen an … Rüdiger Haum zur Stadt der Zukunft

Die Menschheit wächst und wächst und lebt zunehmend in Städten. Wir sprachen mit Rüdiger Haum darüber, wie Städte dadurch verändert werden und welche Herausforderungen sich damit verbinden.

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2050 WIRD ES AUF DER ERDE CA. 10 MILLIARDEN MENSCHEN GEBEN.
WO UND WIE WERDEN SIE LEBEN UND WOHNEN?

Die Welt wird zunehmend urbaner. 2050 werden zwei Drittel der Menschheit, d.h. etwa 6,5 Milliarden Menschen, in Städten leben. Das größte urbane Bevölkerungswachstum findet in Schwellen- und Entwicklungsländern Asiens und Afrikas statt. Es gibt außerdem einen klaren Trend zu sogenannten Megacities, also riesenhaften Städten. Nach UN-Definition sind das Städte mit mindestens 10 Millionen Einwohnern. Zu den 10 größten Riesenstädten werden 2050 Schätzungen nach New York (24 Millionen), Lagos (33 Millionen) und Mumbai (42 Millionen) gehören. In Europa wird sich die Bevölkerung voraussichtlich in Metropolregionen konzentrieren, mit Kernstädten als politischen und kulturellen Zentren sowie wirtschaftlichem Motor.

WELCHE HERAUSFORDERUNGEN BIRGT DIE URBANISIERUNG?

Sollten sich die Prognosen zur Urbanisierung als einigermaßen richtig erweisen, müssen in den nächsten drei Jahrzehnten etwa genauso viele Wohnungen und Infrastrukturen hinzukommen, wie seit Beginn der Industrialisierung, also in den letzten gut 250 Jahren, entstanden sind. Gleichzeitig müssen viele Teile bestehender Städte erneuert werden. Derzeit leben bereits mehr als 850 Mio. Menschen unter mangelhaften Bedingungen, ohne Grundversorgung. Wenn wir nichts unternehmen, könnten 2050 bis zu 1,5 Mrd. weitere Menschen in zwar neuen, jedoch menschenunwürdigen Stadtquartieren hinzukommen.

Eine weitere Herausforderung: Ändern wir z.B. unsere Art und Weise des Bauens nicht, entsteht durch die Produktion des notwendigen Stahlbetons weiterhin eine enorm große Menge Kohlendioxid, die den Klimawandel vorantreibt. Zusätzlich entsteht in Industrieländern ein großer Teil der weltweiten Treibhausgasemissionen durch Kühlung und Beheizung von Gebäuden sowie durch den städtischen Verkehr.

WELCHE LÖSUNGSANSÄTZE GIBT ES, UM STÄDTE SOWOHL NACHHALTIG ALS AUCH LEBENSWERT ZU GESTALTEN?

Die Stadtplanung und der Bausektor stehen vor einer globalen Mammutaufgabe. Doch jede Herausforderung beflügelt die Innovation. Forscher arbeiten z.B. an ressourcenschonenden und gleichzeitig hoch belastbaren Betonarten wie Carbonbeton. Vorgefertigte Bauteile erleichtern den Mehrgeschossbau auch mit nachwachsenden Rohstoffen wie Holz. Paris setzt Pläne um, zentrale Straßen für den Autoverkehr zu schließen und Fahrradwege, Fußgängerzonen und Elektrotram-Routen auszubauen. Und Singapur fördert umfassend die Begrünung von Dächer und Fassaden.

WIE GESTALTET SICH DAS SOZIALE MITEINANDER IN DER STADT DER ZUKUNFT?

Großen Einfluss auf das soziale Miteinander wird die Digitalisierung haben. Soziale Kommunikation und Bürgerbeteiligung verlagern sich in virtuelle Räume. Telepräsenz und 3D-Technologien ermöglichen es uns vielleicht, uns in digitaler Lebensgröße zu Freunden, Familie oder Kollegen zu „beamen“ anstatt sie anzurufen. Forscher sprechen deswegen von der Erweiterung unseres „Realitätshorizonts“. Dennoch bleiben reale Räume in der Stadt wichtig. Sie erden uns, in ihnen verbringen wir unseren Alltag, treffen uns mit Bekannten und begegnen auch Fremden von Angesicht zu Angesicht. Das wird auch in Zukunft wichtig sein, um Toleranz, Akzeptanz und Solidarität zu wahren und zu stärken.

WAS KÖNNEN STADTBEWOHNER SCHON JETZT TUN, UM STÄDTE ZU EINEM NOCH ANGENEHMEREN UMFELD ZU MACHEN?

Einfach mit offenen Augen durch die Straßen laufen und gucken, welche Orte man sich kreativ nutzen kann: Parkhäuser für Parkour-Kunststücke und spontane Tanzeinlagen, Straßenparkplätze für Ruhepausen, Dächer für die Bienenzucht.

Wer auf noch größere Transformationen aus ist, holt sich Umbauexpertise von lokalen Architekturbüros, spricht mit dem Quartiersmanagement über temporäre Nutzung oder sucht nach Crowdfunding-Möglichkeiten im Netz. So sind auch schon ganze Skaterparks, Spielplätze aus Paletten oder gar genossenschaftliche Quartiere entstanden. Solche Initiativen ebnen auf jeden Fall den Weg in die Stadt der Zukunft.

Dr. Rüdiger Haum leitet das Wissenschaftsteam am Futurium.

Mehr darüber, wie urbanes Leben von morgen aussehen kann, erfahren Sie am 16. September bei der Podiumsdiskussion zu diesem Thema im Rahmen von „Ein Tag Zukunft. Futurium Open House“.

Autor*in

Futurium